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Lothar Wieler (RKI)
  • RKI-Chef Lothar Wieler: Die Zahlen seines Instituts zu Impfquoten warfen zuletzt Fragen auf.
  • Foto: picture alliance/dpa/dpa Pool/Michael Kappeler

RKI-Zahlen-Wirrwarr: Wie viele sind tatsächlich geimpft?

59 Prozent der Bevölkerung einmal geimpft? Oder doch 79? Oder waren’s 75? All diese Zahlen kursierten in den vergangenen Tagen, gleich zwei davon stammen vom Robert-Koch-Institut (RKI). Und das in einer Phase, in der sich die Bundesrepublik für den Corona-Herbst rüstet. Und in der doch genau die Impfbereitschaft das Thema Nummer eins ist. Nun fragt sich die verunsicherte Öffentlichkeit: Wie viele sind denn nun tatsächlich gepikst?

Auf dem Bund-Länder-Treffen vor einer Woche sollten eigentlich erste Weichen für den Corona-Herbst gestellt werden. Doch zwei Zitate beschreiben ganz gut das Dilemma, in dem die Republik sich gerade wieder befindet: „Wir fahren erst mal auf Sicht weiter“, soll der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) laut Teilnehmenden gegen Ende der Runde gesagt haben.

Bundesregierung beharrt auf 85-Prozent-Quote

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) indes wandte sich anderntags an die Öffentlichkeit und verkündete zum Thema Impfen: „Wir sind im europäischen Vergleich nicht mehr Spitze.“ Angeblich seien „55,1 Prozent“ der Deutschen bereits doppelt geimpft. Und das Ziel der Bundesregierung lautet weiterhin: 85 Prozent.

Dann ging es Schlag auf Schlag im Zahlen-Wirrwarr. Ende vergangener Woche thematisierte das RKI selbst eine Diskrepanz zwischen zwei Zahlen aus seinem Haus. Zugrunde gelegt wurden bei beiden jeweils Daten bis zum 13. Juli. Zum einen hatte eine repräsentative Umfrage, beauftragt vom RKI, ergeben, dass bis zu diesem Zeitpunkt 79 Prozent der befragten 18- bis 59-Jährigen angaben, bereits einmal geimpft zu sein. Zum anderen nennt die offizielle RKI-Tabelle aber in dieser Altersgruppe und für diesen Zeitraum nur 59 Prozent Geimpfte.

Woher kommt die Diskrepanz der Zahlen?

Am Wochenende wurden nun noch Zahlen einer Umfrage von „Infratest dimap“ in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) veröffentlicht: Auch hier erklärten immerhin 75 Prozent der Befragten im Alter zwischen 18 und 59 Jahren, ihre erste Spritze bereits erhalten zu haben. Ein Wert, der auffällig nah an der RKI-Umfrage liegt. Ein realistischerer Wert also? Und woher kommt die Diskrepanz?

Eine Erklärung: Gerade bei Straßen- und Telefon-Umfragen antworten Menschen manchmal so, wie sie glauben, dass es „sozial erwünscht“ ist, also was das Gegenüber und die Gesellschaft erwarten. Auf die RKI-Umfrage könnte das zutreffen, der „Corona Compass“ von Infratest und DIW ist aber eine anonyme Online-Befragung.

„Soziale Erwünschtheit“ unwahrscheinlich

Möglich sei es aber, so heißt es bei beiden Umfragen, dass vor allem Impfbefürwortende teilgenommen hätten, andere sich ohnehin eher solchen Umfragen verweigern würden. Und: Die Umfrage richte sich nur an Menschen, die gutes Deutsch sprechen; migrantische Gruppen, bei denen das nicht der Fall ist, fielen somit weg. Allerdings: Bei den zweifach Geimpften wurde keine Diskrepanz festgestellt. Es muss also eine andere Erklärung geben.

Tatsächlich gibt es offenbar Probleme im Meldesystem. Nicht alles, was mobile Impfzentren, Haus- und Betriebsärzte verimpfen, kommt auch in der RKI-Statistik an. Beispiel Johnson & Johnson: Das Vakzin, bei dem nur ein Piks für den vollen Impfschutz notwendig ist, werde laut RKI von den Vertragsärzten lediglich als Zweitimpfung gemeldet. Dann fehlen diese Zahlen bei den Erstimpfungen natürlich. Dies würde zumindest rund drei Prozentpunkte Abweichung erklären.

Probleme im Meldesystem an verschiedenen Stellen

Außerdem ein Problem: die Meldungen der Betriebsärzte. Die sollten eigentlich das gleiche Online-Tool wie die Impfzentren nutzen, viele würden aber denselben Meldeweg wie die Hausärzte gehen, so das RKI. Ihrer ersten Schätzung zufolge etwa jeweils die Hälfte – was weitere vier Prozentpunkte erkläre.

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Expert:innen von RKI und DIW vermuten nun, dass die Quote vielleicht zwischen der RKI-Tabelle und den Umfragen liege, etwa bei 70 Prozent. Auf Basis welcher Zahlen soll nun also der Herbst geplant werden? Vermutungen werden kaum reichen. Das RKI hat nun angekündigt, vor allem bei den ärztlichen Meldungen nachzubessern. Und im Frühherbst soll eine weitere, methodisch nachgebesserte Umfrage starten.

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