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  • Das Bundeskabinett hat ein neues Klimaschutzgesetz beschlossen. Doch reicht das wirklich aus, um die Klimaziele zu erreichen?
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Regierung überarbeitet Klimagesetz: Expertin: Das reicht wieder nicht!

Berlin/Hamburg –

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vor knapp zwei Wochen war eindeutig: Deutschland tut viel zu wenig gegen den Klimawandel. Die Politik muss nachbessern, forderten die Richter. Am Mittwoch hat die Regierung ein neues Klimaschutzgesetz durch das Kabinett gebracht. Die MOPO fragte eine Expertin: Ist das wirklich so viel besser?

Es scheint beinahe so, als hätte die Bundesregierung nur auf eine Rüge aus der Legislative gewartet, um „endlich“ aufs Klimaschutz-Gaspedal zu drücken. Denn plötzlich geht alles ganz schnell: Das alte Klimaschutzgesetz reicht nicht aus, also wurde am Mittwoch ein neues durch das Bundeskabinett beschlossen.

Das hat vor allem ein konkretes Ziel: Es soll Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral machen. Das heißt, dass bis dahin nur noch so viele klimaschädliche Gase ausgestoßen werden dürfen, wie auch wieder neutralisiert werden können – zum Beispiel, indem sie durch Wälder oder Moore aufgenommen werden. 

Neues Klimaschutzgesetz: So will Deutschland seine Ziele erreichen

Dadurch soll Deutschland seinen Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen leisten. Darin hatten sich Staaten weltweit 2015 verpflichtet, die globale Erderwärmung wenn möglich auf 1,5 Grad zu senken, um verheerende Folgen für Klima und Umwelt abzuwenden. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt das neue deutsche Klimagesetz den Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft und dem Abfallsektor vor, wie viel CO2 und andere Klimagase sie bis zum Jahr 2030 maximal ausstoßen dürfen.

Die neuen Grenzwerte sind zwar niedriger – aber: Deutschland würde auch unter den neuen Vorschriften über alle Bereiche hinweg immer noch 5,465 Milliarden Tonnen Treibhausgase ausstoßen. „Das ist viel zu viel“, sagt Prof. Dr. Franziska Müller, Expertin für Klimapolitik an der Uni Hamburg. „Wir brauchen mehr Tempo bei den Einsparungen.“ Sie und die Aktivisten von „Fridays For Future“ fordern, die noch erlaubte Ausstoßmenge auf etwa 4,1 Milliarden Tonnen Treibhausgase zu begrenzen.

Franziska

Klimapolitik-Expertin Prof. Dr. Franziska Müller von der Uni Hamburg. 

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hfr

Nach dem Urteil des BVG: Kritik auch am neuen Klimagesetz

Es ist nicht der einzige Kritikpunkt an dem neuen Gesetz. Denn während es bis zum Jahr 2030 genau definierte Grenzwerte für die einzelnen Sektoren vorsieht, ist der Fahrplan für das Jahrzehnt danach weitgehend unklar. „Ich halte es für problematisch, wenn man bis zum Jahr 2030 konkrete Ziele setzt und bei den kommenden Jahren so vage bleibt“, kritisiert auch Expertin Müller.

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Immerhin: Das neue Gesetzt nennt überhaupt jährliche Einsparungsziele – das war im vorherigen Klimaschutzgesetz nicht der Fall. So sollen die Treibhausgase bis 2035 um 77 Prozent gesunken sein, bis 2040 um 88 Prozent.

Kohleausstieg bis 2030 notwendig 

Was dem Klima in Deutschland extrem helfen würde, wäre laut Müller der Kohleausstieg – und zwar so schnell wie möglich und nicht erst zum Jahr 2038. „Der Kohlekompromiss war von vornherein nicht weitreichend genug“, urteilt sie. 

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Für Müller ist noch ein weiterer Punkt von Bedeutung: der Gebäudesektor. „Hier kann man viele Emissionen einsparen“, sagt sie – zum Beispiel durch stärkere Außendämmungen mit neueren Dämmmaterialien. Der Gebäudebestand in Deutschland sei veraltet, viele Häuser stammten aus den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Der Punkt Gebäudesanierung sei im Gesetz nicht so stark vertreten, wie sie es sich wünsche, so die Expertin. Konkret sollen in diesem Sektor bis zum Jahr 2030 noch einmal sechs Prozent mehr Gase eingespart werden als im vorherigen Gesetz.

Wälder und Moore sollen beim Klimaschutz helfen: Wird ihr Beitrag überschätzt?

Die Grenzwerte zum Ausstoß der klimaschädlichen Gase alleine werden aber nicht reichen, um Deutschland bis 2045 zu 100 Prozent klimaneutral zu machen. Für restliche drei Prozentpunkte sollen natürliche Ökosysteme wie Wälder oder Moore sorgen, die die Gase aus der Luft binden.

Eine gute Sache, findet Franziska Müller, gibt aber zu bedenken: „Zwar hat sich der Zustand der Wälder im Vergleich zu den 1980er Jahren erheblich verbessert, doch die Dürresommer der letzten Jahre haben viel zerstört. Ich weiß nicht, ob man die Wälder und die Moore, die ebenfalls sehr gelitten haben, so stark in die Bilanz mit einbeziehen kann.“ Vor allem die Nadelwälder seien stark beschädigt.

Diese Maßnahmen sind nötig, um die Klimaziele zu erreichen

Ein weiterer Kritikpunkt: Einsparungsziele werden in dem Gesetz zwar genannt, nicht aber konkrete Maßnahmen – über die muss noch diskutiert werden. Fest steht bisher nur, dass die Bundesregierung in den kommenden Wochen ein Sofortprogramm mit ersten Maßnahmen zur Umsetzung der Klimaziele auf den Weg bringen will, wie aus einem begleitenden Beschluss des Bundeskabinetts hervorgeht. Darin vorgesehen ist unter anderem auch, dass Vermieter künftig die Hälfte der Kosten für den seit 1. Januar geltenden CO2-Preis auf Öl und Gas tragen sollen.

Eine generelle Erhöhung des CO2-Preises ist ebenfalls im Gespräch. Das hält Franziska Müller für eine „extrem wichtige“ Maßnahme. Der bisherige CO2-Preis von 25 Euro pro Tonne habe für die Wirtschaft keine Anreize geschaffen, den Ausstoß des klimaschädlichen Gases zu verringern, so Müller. Allerdings: Bei einer Erhöhung des Preises sieht die Professorin die Gefahr, dass die Kosten an die Verbraucher weitergegeben werden. Dem könne man zum Beispiel durch die Zahlung eines „Öko-Bonus“ an jeden Bürger aus dem Weg gehen, wie die Grünen ihn fordern. 

Deutschlands neues Klimagesetz: So urteilt die Expertin

Und was heißt das nun zusammengefasst? Ist das neue Klimagesetz besser als das alte und können wir so die lebenswichtigen Klimaziele erreichen? Müllers bitteres Fazit: „Ich glaube nicht, dass das Gesetz ausreicht“. Noch immer seien die Ziele zu unkonkret, zu viel nicht ambitioniert genug.

Aber: Trotz aller Kritikpunkte ist die Klima-Expertin froh, dass sich jetzt etwas bewegt. „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts war extrem wichtig.“

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