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Russlands Präsident Wladimir Putin spricht auf einer Pressekonferenz (Archivbild).
  • Russlands Präsident Wladimir Putin spricht auf einer Pressekonferenz (Archivbild).
  • Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Putins Größenwahn: Experten befürchten erneute Ausdehnung des Krieges in der Ukraine

Für die einen war es eine Erlösung, für die anderen eine Horror-Ankündigung: Vor einigen Wochen teilte Russlands Präsident Wladimir Putin mit, seine Truppen würden sich aus dem Norden der Ukraine zurückziehen. Ein Großteil davon wurde anschließend in Richtung Donbass verlegt, wo zuletzt mehrere Regionen heftig unter Beschuss gerieten. US-Geheimdienste befürchten nun, dass dies nur von kurzer Dauer war – Putins Größenwahn sei „Dank“.

Ein eventueller russischer Erfolg im Donbass würde nach Auffassung der amerikanischen Geheimdienste wahrscheinlich nicht das Ende von Russlands Krieg gegen die Ukraine bedeuten. Der russische Präsident Wladimir Putin bereite sich auf einen längeren Konflikt in der Ukraine vor, in dessen Verlauf er immer noch beabsichtige, Ziele zu erreichen, die über die Ostukraine hinausgingen, sagte US-Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines am Dienstag bei einer Anhörung des Senats in Washington.

Experten befürchten erneute Ausdehnung des Kriegs in der Ukraine

„Wir gehen davon aus, dass sich die strategischen Ziele Putins wahrscheinlich nicht geändert haben“, so Haines. Die Verlagerung der russischen Streitkräfte in die Ostukraine sei wohl nur vorübergehend. Ihren Erkenntnissen zufolge bereite sich Putin auf einen „langwierigen Konflikt in der Ukraine vor, bei dem er nach wie vor Ziele über den Donbass hinaus erreichen will“. So sei der russische Präsident entschlossen, eine Landverbindung zur pro-russischen Separatistenregion Transnistrien im Osten der Republik Moldau zu schaffen.

Im Westen war befürchtet worden, dass Putin am Montag, dem Gedenktag zum Sieg über Nazi-Deutschland, den Einsatz in der Ukraine ausweiten und eine Generalmobilmachung verkünden könnte. Dies geschah aber nicht.

Haines warnte dennoch vor einer Eskalation des Konflikts. Die Ungewissheit des Kampfes, der sich zu einem Zermürbungskrieg entwickele, bedeute in Verbindung mit dem Missverhältnis von Putins Ambitionen und den militärischen Fähigkeiten Russlands einen „unvorhersehbaren und potenziell eskalierenden Kurs“ in den kommenden Monaten.

„Der derzeitige Trend erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Putin sich drastischeren Mitteln zuwendet“

So könnte Russlands Präsident – aus Angst vor einer Niederlage oder um seinen Größenwahn voranzutreiben – bald eine härtere Gangart einschlagen. „Der derzeitige Trend erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Präsident Putin sich drastischeren Mitteln zuwendet, einschließlich der Verhängung des Kriegsrechts, der Umorientierung der Industrieproduktion oder potenziell eskalierenden militärischen Optionen“, sagte Haines, welche die Arbeit der 18 US-Geheimdienste koordiniert.

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Der russische Präsident rechne wohl auch damit, dass Russland eine größere Durchhaltekraft habe als der Westen und die Ukraine, so die Expertin. „Putin geht höchstwahrscheinlich davon aus, dass Russland eine größere Fähigkeit und einen größeren Willen hat als seine Gegner, Herausforderungen durchzustehen. Und er zählt wahrscheinlich darauf, dass die Entschlossenheit der USA und der EU nachlässt, während Lebensmittelknappheit, Inflation und Energiepreise sich verschlimmern.“

Eine diplomatische Lösung zeichne sich daher eher nicht ab, so Haines: „Da sowohl Russland als auch die Ukraine glauben, dass sie militärisch weiter vorankommen können, sehen wir zumindest kurzfristig keinen gangbaren Verhandlungsweg.“

US-Geheimdienste rechnen nicht mit Atomschlag Russlands

Haines betonte, dass die USA immer noch der Ansicht seien, dass Moskau auch künftig eine „nukleare Rhetorik“ einsetze, um die USA und den Westen davon abzuhalten, die Unterstützung für die Ukraine zu erhöhen. Ein tatsächlicher Einsatz von Atomwaffen sei aber unwahrscheinlich. „Wir gehen weiterhin davon aus, dass Präsident Putin den Einsatz von Atomwaffen wahrscheinlich nur dann genehmigen würde, wenn er eine existenzielle Bedrohung für den russischen Staat oder das russische Regime wahrnehmen würde“, sagte Haines.


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Russland hatte das Nachbarland am 24. Februar angegriffen. Nachdem es der russischen Armee angesichts des heftigen Widerstands der ukrainischen Streitkräfte nicht gelang, die Hauptstadt Kiew einzunehmen, konzentrieren sich die Kämpfe inzwischen auf den Süden und Osten der Ukraine. Die USA und EU-Staaten unterstützen die Ukraine in dem Krieg mit umfangreichen Waffenlieferungen. Der US-Kongress ist gerade dabei, ein neues Hilfspaket mit einem Umfang von knapp 40 Milliarden Dollar (38 Milliarden Euro) zu schnüren. Ein Großteil des Geldes ist für militärische Hilfe gedacht. (mik/afp/dpa)

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