Putin verliert Oligarchen-Rückhalt: Kommt es zur Palastrevolution?
Sie sind extrem wohlhabend und extrem wichtig für das System Putin: Russische Oligarchen trugen in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend zum Machterhalt des Präsidenten bei. Nun jedoch bröckelt ihr Rückhalt für den Kreml-Chef. Kommt es jetzt zur Palastrevolution? Möglich, sagen Experten. Viel wahrscheinlicher könnte aber eine andere Revolution sein.
Wer dieser Tage in Russland den Fernseher anmacht, könnte denken, dass das Land derzeit nicht im Krieg ist. Es laufen die üblichen Programme, von einer bewaffneten Auseinandersetzung im Nachbarland erfährt man nur am Rande in den Nachrichten. Offiziell dürfen die Berichterstatter dabei aber nicht von „Krieg“ sprechen: Moskau bezeichnet das Ganze als „Militäroperation“ – und hat Medien untersagt, Begriffe wie „Angriff“ oder „Invasion“ zu verwenden.
Was wirklich in der Ukraine passiert, dürften die meisten Russen also gar nicht mitbekommen. Wohl aber, welche Konsequenzen das für ihr Land hat: Die russische Währung ist im freien Fall, der Handel an der Börse ist ausgesetzt, an Bankautomaten bildeten sich zuletzt ellenlange Schlangen. Die Sanktionen, die die EU, die USA, Kanada, Japan und andere Länder gegen Russland verhängt haben, wirken.
Sie sind extrem wohlhabend und extrem wichtig für das System Putin: Russische Oligarchen trugen in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend zum Machterhalt des Präsidenten bei. Nun jedoch bröckelt ihr Rückhalt für den Kreml-Chef. Kommt es jetzt zur Palastrevolution? Möglich, sagen Experten. Viel wahrscheinlicher könnte aber eine andere Revolution sein.
Wer dieser Tage in Russland den Fernseher anmacht, könnte denken, dass das Land derzeit nicht im Krieg ist. Es laufen die üblichen Programme, von einer bewaffneten Auseinandersetzung im Nachbarland erfährt man nur am Rande in den Nachrichten. Offiziell dürfen die Berichterstatter dabei aber nicht von „Krieg“ sprechen: Moskau bezeichnet das Ganze als „Militäroperation“ – und hat Medien untersagt, Begriffe wie „Angriff“ oder „Invasion“ zu verwenden.
Was wirklich in der Ukraine passiert, dürften die meisten Russen also gar nicht mitbekommen. Wohl aber, welche Konsequenzen das für ihr Land hat: Die russische Währung ist im freien Fall, der Handel an der Börse ist ausgesetzt, an Bankautomaten bildeten sich zuletzt ellenlange Schlangen. Die Sanktionen, die die EU, die USA, Kanada, Japan und andere Länder gegen Russland verhängt haben, wirken.
Zahlreiche Oligarchen stehen namentlich auf Sanktionslisten – und das passt ihnen gar nicht
Auch bei der russischen Wirtschaftselite: Zahlreiche Oligarchen stehen namentlich auf Strafmaßnahme-Listen. Der Tui-Großaktionär Alexej Mordaschow etwa: Er habe, stellte die EU fest, Beteiligungen an einer Bank, die auch Zweigstellen auf der annektierten Halbinsel Krim habe – „und so deren Eingliederung in die Russische Föderation verfestigt“. Auch halte eine Firma Mordaschows Anteile an einer Medienholding, „die ihrerseits Fernsehsender kontrolliert, die aktiv die Politik der russischen Regierung zur Destabilisierung der Ukraine unterstützen“. Brüssel hat daher Mordaschows Vermögenswerte in der EU eingefroren und seine Reisefreiheit eingeschränkt.
Dem Oligarchen geht deshalb nun offenbar die Düse, er fürchtet um seinen Wohlstand. In einer offiziellen Stellungnahme wehrte er sich gegen die Sanktionen und wählte dabei Worte, die zur offiziellen Sprachregelung des Kreml so gar nicht passen: Der Krieg in der Ukraine sei eine „Tragödie für zwei brüderliche Nationen. Ich hoffe aufrichtig, dass in sehr naher Zukunft ein Weg gefunden werden kann, der den Konflikt löst und das Blutvergießen beendet“, so Mordaschow. Er habe aber „mit dem Entstehen der derzeitigen geopolitischen Spannungen absolut nichts zu tun und weiß nicht, warum die EU die Sanktionen über mich verhängt hat.“
Der 56-Jährige ist nicht der einzige Russen-Milliardär, der sich öffentlich gegen Putins Krieg ausspricht. Bank-Magnat Oleg Tinkow schrieb auf Instagram: „Heute sterben in der Ukraine jeden Tag unschuldige Menschen, das ist undenkbar und inakzeptabel“. Oligarch Michail Fridman erklärte in einem Schreiben an die Mitarbeiter seiner Beteiligungsgesellschaft LetterOne, „Krieg kann niemals die Antwort sein“ und forderte ein Ende des „Blutvergießens“. Und Ex-Fußballklub-Besitzer Roman Abramowitsch soll jüngst auf Bitten aus Kiew eine neutrale Vermittlerrolle im Krieg mit dem Kreml eingenommen haben.
Putin und die Oligarchen – ein System, in dem sich beide Seiten gegenseitig stützen
Damit wächst der Druck auf den russischen Präsidenten. Denn Putins Macht basiert zu großen Teilen auf der bedingungslosen Gefolgschaft der Oligarchen. Das Ganze ist ein System, in dem beide Seiten sich gegenseitig stützen: Der Präsident schafft die politischen Voraussetzungen, dass die Milliardäre ihren Reichtum mehren können – dafür sichern diese ihm finanziellen Rückhalt und Unterstützung seiner Entscheidungen zu. Wer aufmuckt, wird abgesägt. Bestes Beispiel dafür: der Oligarch Michail Chodorkowski, der den russischen Präsidenten öffentlich kritisierte und daraufhin im Knast landete.
Durch Aussieben und Anpassen bildete sich eine treue, eingeschworene Machtelite aus. Und genau hier liegt Putins Problem: Die Rechnung geht nur auf, wenn sich am System nichts ändert. Aber: Der Wohlstand der Oligarchen-Clique ist aktuell akut in Gefahr.
Beobachter: Internationale Isolation Russlands passt den Oligarchen gar nicht
Dank der Sanktionen haben die russischen Wirtschafts-Tycoone in einer Woche Schätzungen nach schon mehr als 100 Milliarden Euro verloren. „Diese Leute wollen eine nachvollziehbare Außenpolitik, getrieben von Interessen. Die totale internationale Isolation, in die Russland jetzt rutscht, passt ihnen nicht“, erklärte der Politikwissenschaftler und Russlandexperte Alexander Dubowy der „Wiener Zeitung“. Daher sei derzeit im Kreml keine Spur von bedingungsloser Gefolgschaft, „alles ist im Fluss, viele sind unzufrieden.“
Aber können die Oligarchen überhaupt Einfluss nehmen? Insider Chodorkowski sagt: „Ja, das geht. Aber natürlich können das keine einfachen Worte sein. Es muss ihm jemand sagen: Wladimir, du bist am Ende“, erklärte er im ZDF-Interview. Dass sich das jemand traut, scheint derzeit noch nicht möglich. Auch Dubowy sagt: „Eine Palastrevolte braucht Zeit, und die hat man jetzt nicht.“
Die Revolution könnte kommen – aber sie geht wohl nicht von den Oligarchen aus
Dennoch könnte es in Russland einen Regime-Wechsel geben, aber dieser geht dann wohl weniger von den Oligarchen aus, sagte Chodorkowski: Man müsse es schaffen, „dass die russische Gesellschaft aufwacht“, so der 58-Jährige. „Man muss alles stoppen, alles sperren, egal welche Überweisung nach Russland und im Interesse Russlands.“ Denn dann ginge es den Leuten an den Geldbeutel, und so bestünde die Möglichkeit, dass sich immer mehr Russinnen und Russen gegen das System auflehnen, erklärte er dem ZDF. „Und wenn es in Russland zum Widerstand gegen die Regierung kommt, wird das Putin zwingen, seine Kräfte nach Russland zurückzuholen.“
Das könnte Sie auch interessieren: Panzer-Tiktoks und Internet-Guerilla: Wie ganz normale Ukrainer ihr Land verteidigen
Aber ist das realistisch? „Es wird zu solchen Widerständen kommen, wenn die Blockaden und die finanziellen Sanktionen nicht teilweise, sondern komplett sein werden“, prognostizierte Chodorkowski. Dann kämpfe Putin an zwei Fronten: im In- und Ausland. Und das, so Chodorkowski, könnte sein Ende einläuten.