Politiker fordern Boykott, Russland droht mit Lieferstopp: Geht uns nun das Gas aus?
Putins Gasleitung kappen oder nicht? Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) weiterhin gegen einen Stopp der russischen Energieimporte ist, kommen aus der Union erste Forderungen, kein Öl und Gas mehr aus Russland zu beziehen. Allein vergangenes Jahr zahlte Deutschland 19,4 Milliarden Euro – und damit quasi für Putins Ukrainekrieg. Aber: Sollte der Hahn wirklich zu bleiben, hätte das vor allem Folgen für den Geldbeutel der Verbraucher:innen – schon jetzt explodieren die Preise. Russland drohte am Montagabend seinerseits damit, die Lieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 zu stoppen. Was sind energiepolitische Alternativen zu Russlands Gashahn?
Kochen, heizen, tanken: Verbraucher.innen müssen dafür gerade so tief wie nie in die Tasche greifen. Gestern galt ein Preis von 335 Euro je Megawattstunde am niederländischen Erdgas Handelspunkt TTF – ein Plus von saftigen 60 Prozent und Rekord in Europa.
- Deutsch (Deutschland)
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Putins Gasleitung kappen oder nicht? Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) weiterhin gegen einen Stopp der russischen Energieimporte ist, kommen aus der Union erste Forderungen, kein Öl und Gas mehr aus Russland zu beziehen. Allein vergangenes Jahr zahlte Deutschland 19,4 Milliarden Euro – und damit quasi für Putins Ukrainekrieg. Aber: Sollte der Hahn wirklich zu bleiben, hätte das vor allem Folgen für den Geldbeutel der Verbraucher:innen – schon jetzt explodieren die Preise. Russland drohte am Montagabend seinerseits damit, die Lieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 zu stoppen. Was sind energiepolitische Alternativen zu Russlands Gashahn?
Kochen, heizen, tanken: Verbraucher.innen müssen dafür gerade so tief wie nie in die Tasche greifen. Gestern galt ein Preis von 335 Euro je Megawattstunde am niederländischen Erdgas Handelspunkt TTF – ein Plus von saftigen 60 Prozent und Rekord in Europa.
Gleiches fürs Öl: Die Preise explodieren, waren seit 2008 nicht mehr so hoch. Kanzler Scholz sagte am Montag, er wolle weiterhin auf Energieimporte aus Russland setzen. Die Energieversorgung Europas könne im Moment nicht anders gesichert werden. Zwar werde an Alternativen zu russischer Energie gearbeitet, das werde aber noch dauern.
Habeck und Lindner: Gegen Energieimporte-Verbot
Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten sich bereits gegen ein Verbot von Energieimporten ausgesprochen. Falls die Lieferketten reißen würden, wäre der kommende Winter eine Herausforderung, sagte Habeck am Sonntag in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. Obwohl er für den Ausstieg aus der Atomkraft sei, prüfe man, ob ein längerer Betrieb der Atomkraftwerke in Deutschland etwas nützen würde. Und für den Fall der Fälle sei es eine Möglichkeit, auch „Kraftwerke in der Reserve zu halten“ .
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Andere Töne aus der Union. So schrieb CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen im „Tagesspiegel“: „Wir müssen alles, was in unserer Macht steht, tun, um die Ukrainer in ihrem Kampf gegen Putin und für die Freiheit zu unterstützen.“ Er appellierte an die Bundesregierung, die Gas- und Ölimporte aus Russland „jetzt“ zu stoppen. CDU-Vize Karin Prien unterstützte Röttgens Forderung.
Ukraine-Krieg: Russland droht mit Gas-Lieferstopp
Und wenn gar nicht Deutschland und Europa diese Entscheidung treffen, sondern Russland? Dessen Vize-Regierungschef Alexander Nowak drohte am Montag erstmals seit Beginn des Ukraine-Krieges damit, Gas-Lieferungen über die Nord Stream 1-Pipeline zu stoppen.
„Wir haben das volle Recht, eine „spiegelgerechte“ Entscheidung zu treffen und ein Embargo zu erlassen auf die Durchleitung des Gases durch die Pipeline Nord Stream 1, die heute maximal mit 100 Prozent ausgelastet ist“, sagte Nowak in einer am Abend ausgestrahlten Rede im Staatsfernsehen. Er äußerte sich mit Blick auf die gestoppte Leitung Nord Stream 2, deren Inbetriebnahme Russland anstrebt.
„Aber noch treffen wir diese Entscheidung nicht. Niemand gewinnt dabei“, sagte Nowak. Allerdings sehe sich Russland inzwischen durch die europäischen Politiker und ihre Anschuldigungen in diese Richtung gestoßen. Die Bundesregierung hatte die umstrittene Pipeline gestoppt, nachdem Russland am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert war.
Expertin rechnet weiter mit steigenden Energiepreisen
Wie abhängig ist Deutschland von der russischen Energie? Dazu sagt Prof. Claudia Kemfert, Energieexpertin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): „Ein sofortiger Stopp aller Käufe von fossile Energie aus Russland wäre möglich und auch sinnvoll. Es ist allerdings keine leichte Angelegenheit.“ Immerhin bezieht Deutschland über 50 Prozent seines Gases aus Russland.
„Zum einen ist es möglich”, so Kemfert, „dass wir aus anderen Ländern fossile Energien beziehen. Beim Gas geht das nur über den Europäischen Verbund, indem dort die Flüssiggas-Kapazitäten voll ausgeschöpft werden und wir auch andere Pipeline Routen nutzen. Beim Öl ist es weniger kompliziert, man kann auf dem Weltmärkten Öl kaufen.“ Die Umwandlung hin zu Endprodukten wie Heizöl, Diesel und Benzin sei eine Herausforderung, sei aber machbar, so die Expertin. Sie rechnet mit weiter steigenden Energiepreisen: „Das ist der Preis der verschleppten Energiewende, den wir im Moment zahlen.“
Auch Timm Kehler vom Branchenverband „Zukunft Gas“ sagte gegenüber tagesschau.de, dass sowohl die Haushalte als auch die Industrie von Ausfällen stark betroffen seien. Gas sei der „wichtigste Energieträger der Industrie“. Sollte Russland als Handelspartner ausfallen, würden die Gaspreise weiter steigen.
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Claudia Kemfert sieht vor allem im konsequenten Energiesparen und im schnellem Umrüsten auf alternative Energien den Ausweg: „Wir müssen nicht frieren im kommenden Winter, sondern sparen und das intelligent.“ Gerade im Gebäudebereich und der Industrie, aber auch im Verkehrssektor durch mehr Elektromobilität. „Wir müssen die erneuerbaren Energien sehr viel schneller ausbauen, alles dafür tun, damit Energie eingespart wird, und besser grünen Wasserstoff nach Deutschland transportieren.“