• In Japan öffnen die Schulen wieder, hier in Nagoya, in der Mitte des Landes.
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Ohne echten Lockdown: Wie Japan das Coronavirus besiegte

Tokio –

Rund 17.500 Infektionen, nur 900 Covid-19-Tote: Japan ist erstaunlich gut durch die Corona-Krise gekommen. Und das ohne harte Ausgangsbeschränkungen, ohne Warn-App, ohne wirklichen Lockdown. Nun verkündet das Land, das Virus weitgehend unter Kontrolle gebracht zu haben. Schulen & Co. dürfen wieder öffnen. Wie hat das Land das geschafft?

Was musste sich Japan zu Beginn der Krise alles für Kritik anhören. Der Hauptvorwurf: Das Land teste viel zu wenig, und das nur, um die Olympischen Spiele im Sommer nicht zu gefährden. Wie sonst seien die niedrigen Zahlen bei Japans hoher Bevölkerungsdichte zu erklären? Der Nachbar Südkorea galt als Vorbild. Doch offenbar hat auch Japans Weg gut funktioniert.

Premier Shinzo Abe hatte lange gezögert, den Notstand zu verhängen. Der kam am 7. April, zunächst für Tokio und Umgebung, später für’s ganze Land. Allerdings: Für einen echten Lockdown wie in vielen europäischen Ländern fehlte die juristische Grundlage. In Deutschland etwa sind Einschränkungen der Freizügigkeit bei Ausbruch einer Seuche direkt im Grundgesetz verankert (Art. 2 GG).

Japans Premierminister Shinzo Abe trug wie die meisten seiner Landsleute während der Pandemie stets eine Maske

Japans Premierminister Shinzo Abe (M.) trug wie die meisten seiner Landsleute während der Pandemie stets eine Maske

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In Japan hingegen wurden die Bürger zunächst lediglich aufgerufen, zu Hause zu bleiben, Abstand zu halten und Menschenansammlungen zu meiden. Geschäfte, Friseure oder Gastronomie blieben geöffnet. Fitness-Studios, Spielhallen oder Bars wurden aber aufgefordert zu schließen. Allerdings: freiwillig.

Virologe Drosten sieht Japan als Vorbild für Deutschland

Der deutsche Virologe Christian Drosten nannte das Land der aufgehenden Sonne in seinem NDR-Podcast nun gar als Vorbild für ein weiteres Vorgehen in der Bundesrepublik. Vor allem die Cluster-Strategie, offenbar einer von zwei Hauptfaktoren für das japanische Erfolgsmodell, überzeugte ihn: „Das müssen wir unbedingt als Beispiel für die nächste Zeit nehmen.“

Diese Cluster-Strategie sieht folgendermaßen aus: Sobald eine infizierte Person entdeckt wird, wird versucht, die Kontakte des Betroffenen herauszufinden. Diese bilden nun ein „Cluster“. All diese Personen werden nun als infiziert betrachtet und sofort isoliert. Es wird nicht abgewartet, ob ein Covid-19-Test positiv ausfällt. Die meisten Cluster ließen sich offenbar auf Orte mit Menschenansammlungen zurückführen: Fitness-Studios, Nachtclubs und Karaoke-Bars etwa.

Christian Drosten, Leiter der Virologie der Charité in Berlin.

Christian Drosten, Leiter der Virologie der Charité in Berlin.

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Der zweite Grund für den Erfolg des Landes scheint in der japanischen Kultur zu liegen. Die große Mehrheit der Bevölkerung befolgte freiwillig den Aufruf der Behörden, mied Ansammlungen, ging ins Home-Office, blieb zuhause. Auch viele Bars schlossen bereitwillig, die Kunden blieben ohnehin aus.

Zudem legen Japaner seit jeher extremen Wert auf Hygiene. Mundschutz bei Erkältungen etwa ist dort schon lange üblich, um andere nicht anzustecken. Genau wie das Verbeugen zur Begrüßung, anstelle von Händeschütteln, Umarmen oder gar Küsschen Geben. Lautes Unterhalten in den meist überfüllten Bahnen von Japans Mega-Städten gilt als unhöflich. Da beim Sprechen Tröpfchenpartikel das Virus verbreiten können, dürfte auch das ein wichtiger Faktor gewesen sein.

Nicht alles in Japan lief rund

Doch nicht alles ist vorbildlich in Japan. Experten beklagen einen Mangel an Fachkräften, die Infektionen verfolgen können. Außerdem fehle es an ausreichend geschulten Ärzten sowie an Schutzausrüstung für das medizinische Personal. Auch Krankenhäuser waren immer wieder Ausbruchsherde für das Coronavirus.

Und auch in Japan gibt es weiter die Sorge, dass es zu einer zweiten großen Infektionswelle kommen könnte. Trotz der Aufhebung des Notstands sei die Corona-Krise „nicht vorbei“, erklärt der japanische Virologe Hitoshi Oshitani von der Tohoku University in der Fachzeitschrift „Science“. Er rechne von Zeit zu Zeit mit Ausbrüchen, glaube aber, „dass wir diese kleinen Ausbrüche managen können“. (dpa/km)

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