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Bewohner von Varnitsa nahe der transnistrischen Grenze (Archivbild aus Februar 2019)
  • Bewohner von Varnitsa nahe der transnistrischen Grenze (Archivbild aus Februar 2019)
  • Foto: imago/Le Pictorium

Nur „Fußweg“ bis zur Ukraine: Hier fürchtet man, Putins nächstes Opfer zu werden

Mit seinem Besuch der Republik Moldau am Montag und Dienstag sendet UN-Generalsekretär António Guterres ein wichtiges Signal. Denn die Furcht vor einem Überschwappen des Ukraine-Krieges auf das benachbarte Moldau hat zuletzt zugenommen. Als potenzieller Krisenherd gilt vor allem die Separatistenregion Transnistrien im Osten des Landes – und es gibt historische Parallelen zwischen der Ukraine und Moldau.

Die ehemalige Sowjetrepublik Moldau liegt zwischen Rumänien und der Ukraine. Nur ein Fußweg trennt das Land von der von russischen Bombardements betroffenen Stadt Odessa, wie Moldaus Regierungschefin Natalia Gavrilita bei einer Geberkonferenz in Berlin Anfang April betonte.

Moldau: zwischen europäischer Peripherie und Russland-Nähe

Moldau ist eines der ärmsten Länder Europas. Im vergangenen Jahr lag das Bruttoinlandsprodukt des 2,6-Millionen-Einwohner-Landes bei rund 13,7 Milliarden Dollar. Besonders im Energiebereich ist die Abhängigkeit Moldaus von Russland enorm. „Wir hängen vollkommen vom russischen Gas ab. Beim Strom ist es sogar noch dramatischer“, sagte Präsidentin Maia Sandu im April in einem Interview mit der „FAZ“. Bis zu 80 Prozent seines Stroms bezieht Moldau aus dem Cuciurgan-Gaskraftwerk auf dem von pro-russischen Separatisten kontrollierten Gebiet Transnistrien.

Zwei Frauen in Tiraspol, Hauptstadt Transnistriens. Transnistrien ist für Moskau ein Hebel, um Druck auf die Ex-Sowjetrepublik Moldau auszuüben. Imago / Zuma Wire
Zwei Frauen in Tiraspol, Hauptstadt Transnistriens. Transnistrien ist für Moskau ein Hebel, um Druck auf die Ex-Sowjetrepublik Moldau auszuüben.
Zwei Frauen in Tiraspol, Hauptstadt Transnistriens. Transnistrien ist für Moskau ein Hebel, um Druck auf die Ex-Sowjetrepublik Moldau auszuüben.

Die 32 Jahre von Moldaus Eigenstaatlichkeit waren geprägt von einem Hin und Her zwischen West-Orientierung und Wiederannäherung an Russland. Derzeit allerdings ist Moldau so pro-westlich aufgestellt wie nie zuvor: Präsidentin Sandu, Ministerpräsidentin Gavrilita und die Mehrheit im Parlament zählen zum Lager der pro-westlichen Reformer. Wie Kiew strebt Chisinau eine EU-Mitgliedschaft an.

Brennpunkt Transnistrien

Die überwiegend russischsprachige Region Transnistrien mit rund 465.000 Einwohnern hatte sich im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion von Moldau abgespalten. 1992 lieferten sich die Separatisten mit Unterstützung der russischen Armee einen Krieg mit der pro-westlichen Regierung Moldaus, in dem hunderte Menschen getötet wurden. Bis heute sind in Transnistrien noch rund 1500 russische Soldaten stationiert.

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In einem international nicht anerkannten Referendum sprachen sich 2006 gut 97 Prozent der Wähler in Transnistrien für eine Unabhängigkeit von Moldau und einen Anschluss an Russland aus. Die Regierung in Chisinau lehnt die Abspaltung ab und fordert den Abzug der an der Grenze zwischen dem moldauisch kontrollierten Landesteil und Transnistrien stationierten russischen Soldaten.

Furcht vor Provokationen

Ende April meldeten die Behörden in Transnistrien eine Serie an Explosionen, für die sie die Ukraine verantwortlich machten. Der Kreml zeigte sich angesichts der Vorfälle „alarmiert“. Äußerungen des russischen Top-Generals Rustam Minnejakew, wonach Russlands Armee eine Landverbindung von der Ostukraine bis nach Transnistrien herstellen will, sorgten für zusätzliche Unruhe.

Die „gefälschten Terroranschläge“ in Transnistrien verstärkten die Spannungen in Moldau, sagt Valeriu Pasa, Vorsitzender des moldauischen Politikinstituts WatchDog.MD. Mit weiteren „Provokationen“ auch im von Chisinau kontrollierten Landesteil Moldaus sei zu rechnen.

Karte der Republik Moldau mit Transnistrien picture alliance/dpa/dpa Grafik | dpa-infografik GmbH
Karte der Republik Moldau mit Transnistrien
Karte der Republik Moldau mit Transnistrien

Einen russischen Einmarsch in Transnistrien wie in der Ukraine hält Pasa indes für unwahrscheinlich. Die wirtschaftlichen Eliten in Transnistrien hätten ein großes Interesse an der Erhaltung des „Status Quo“, betont er. Denn der größte Teil der Exporte aus Transnistrien gehe nicht nach Russland – sondern in die EU.

Region im Griff von Oligarchen

Das wichtigste Unternehmen in Transnistrien ist die Sheriff-Gruppe, die von zwei ehemaligen sowjetischen Polizisten gegründet wurde und das Gebiet fest im Griff hat. Sheriff besitzt Supermärkte, Tankstellen, eine Cognac-Destillerie und eine Kaviarfarm. Den Sheriff-Gründern gehört zudem der international bekannte Fußballclub FC Sheriff Tiraspol. Ein Drittel des transnistrischen Haushalts lande in den Kassen von Sheriff, berichtete 2015 die investigative Nachrichtengruppe Rise Moldova.


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Sheriff-Gründer Victor Gusan gehöre zu den vielen Transnistriern, die unter anderem auch die ukrainische Staatsbürgerschaft besäßen, sagt der Experte Pasa. Die meisten Einwohner Transnistriens haben mindestens die doppelte Staatsbürgerschaft und zusätzlich etwa einen moldauischen, russischen oder ukrainischen Pass. Moldauischen Medienberichten zufolge ließen viele Transnistrier in den vergangenen Wochen ihre moldauischen Dokumente erneuern. (mik/afp)

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