• Recep Tayyip Erdogan hofft auf eine Führungsrolle in der islamischen Welt.
  • Foto: dpa/XinHua

Nahost-Konflikt: Erdogan hetzt die Türkei ins Abseits

Ankara –

Krawall ist die Weltgemeinschaft vom türkischen Präsidenten ja schon gewohnt. Doch seit die Gewalt in Nahost wieder aufgeflammt ist, schlägt Recep Tayyip Erdogan wie die Karikatur eines alternden Despoten verbal um sich. Der Politiker hofft auf eine Führungsrolle in der muslimischen Welt – erreicht aber wohl eher das Gegenteil.

Wirtschaftlich steht die Türkei schon länger mit dem Rücken zur Wand. Die Inflation galoppiert davon, und die Unterstützung für Erdogans Partei AKP bröckelt. Da kommt der Konflikt in Nahost wie gerufen. Mit Hass-Reden peitscht Erdogan seine Anhänger auf. In der Türkei kam es bereits zu Massenprotesten gegen Israel, die die Polizei – trotz Corona-Lockdowns und gegen die sonst übliche Praxis – geschehen ließ. Auch in Deutschland gingen Erdogan-Fans auf die Straße.

Herrmann: Erdogans Reden sind „brutal“

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nannte Erdogans Reden „brutal“. Der türkische Präsident behauptete etwa, dass es in der Natur der Juden läge, Palästinenser zu töten. „Sie werden nur durch Blutsaugen satt. Sie sind so mörderisch, dass sie sogar kleine Kinder umbringen.“

Die USA haben derlei Reden nun als das benannt, was sie sind: blanker Antisemitismus. „Die USA verurteilen nachdrücklich die jüngsten antisemitischen Äußerungen von Präsident Erdogan zum jüdischen Volk und halten sie für verwerflich“, erklärte ein Sprecher des US-Außenministeriums.

Zuvor hatte Erdogan Israel bereits als „Terrorstaat“ bezeichnet und den USA vorgeworfen, mit „blutigen Händen Geschichte zu schreiben“. Er bezog sich dabei auf eine angeblich unmittelbar bevorstehende Waffenlieferung an Israel. Österreich hatte Erdogan in einer Rede „verflucht“, weil über dem Wiener Kanzleramt vorige Woche auch die israelische Flagge wehte.

Erdogan unterhält schon lange enge Kontakte zur Hamas

Neben den eigenen Wählern hat Erdogan mit derlei Ausfällen vor allem die arabischen Staaten im Blick. „Die islamische Welt erwartet nun, dass die Türkei eine Führungsrolle übernimmt“, hatte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu (AKP) kürzlich gesagt. Aber das ist wohl Wunschdenken. Denn bisher hat kein anderes islamisch geprägtes Land in dem Konflikt klar Partei für die Palästinenser ergriffen. Im Gegenteil: Länder wie Bahrain oder die Vereinigten Arabischen Emirate haben inzwischen ganz offiziell Frieden mit Israel geschlossen, andere wie Saudi-Arabien kooperieren eng.

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Erdogan stellt sich hingegen weiterhin an die Seite der radikal-islamischen Hamas. Er unterhält schon lange enge Kontakte zu der Terrororganisation. Diese Verbindung belastet auch das Verhältnis zur EU. Beim EU-Gipfeltreffen Ende Juni steht das Thema Türkei auf der Tagesordnung. Ankara wünscht sich eine Vertiefung der Zollunion, Visa-Erleichterungen und eine Einbindung in die Militärpolitik. Es wird sich zeigen, ob die Gräben dafür nicht schon zu groß sind. 

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