Abgang von Sebastian Kurz
  • Bleibt er sowas wie Österreichs „Schattenkanzler“? Sebastian Kurz (ÖVP)
  • Foto: picture alliance/dpa/APA | Georg Hochmuth

Der (Vorerst-)Abgang des Wunderwuzzis

Nun also doch! Am Wochenende wurde der Druck auf Noch-Bundeskanzler Sebastian Kurz in Österreich zu groß und er erklärte seinen Rückzug. Trotz heftiger Vorwürfe (MOPO berichtete) – unter anderem sollen über Jahre Medien mit Steuergeldern bestochen worden seien – hatte er zunächst noch verkündet, er werde „selbstverständlich“ nicht zurücktreten. In der Opposition vermuten einige nun auch nur ein Taktik-Manöver von Kurz. Sein „Rückzug“ ins Parlament bedeute vor allem, dass er Immunität bei möglichen Ermittlungen genießen könnte.

Sind die Zeiten des „Wunderwuzzis“ (etwa: Alleskönner) nun endgültig vorbei? Oder hat er am Ende doch wieder mit einer grandiosen Finte sein politisches Überleben gesichert? Als Kurz am Samstag seinen Rücktritt erklärte, war vielen Beobachtenden aus Medien und Politik zunächst klar: Der will vor allem dem für Dienstag geplanten Misstrauensvotum entgehen! Das wollte unter anderem der grüne Koalitionspartner von Kurz‘ ÖVP unterstützen. Die Grünen wollten nur mit einer „untadeligen Person“ weiter regieren, hieß es.

Kurz schlägt Vertrauten als Nachfolger vor

Die präsentierte Kurz dann auch gleich mit: Sein Parteifreund und enger Vertrauter, der bisherige Außenminister Alexander Schallenberg, solle sein Nachfolger als Kanzler werden. Das habe er dem Bundespräsidenten Österreichs, Alexander Van der Bellen, vorgeschlagen. So weit, so gut. Gegen Schallenberg gibt es derzeit keine Vorwürfe. Mit diesem Vorschlag können die Grünen leben. Sie erklärten am Sonntag, dass die Koalition unter diesen Umständen weiter bestehen werde.

Doch zwischen den Zeilen von Kurz‘ Rücktrittsankündigung wurde deutlich: Der hat noch lange nicht aufgegeben. Die Vorwürfe bestritt er erneut. Sein Rückzug? Ein Dienst an Österreich: „Mein Land ist mir wichtiger als meine Person.“ Schließlich sei die Corona-Pandemie noch nicht vorbei, man sei in einer wirtschaftlich schwierigen Situation – da sei es unverantwortlich, „auf Monate in ein Chaos zu schlittern“.

Kurz bleibt die zentrale ÖVP-Figur

Gleichzeitig bleibt Kurz die zentrale Figur bei der ÖVP: Er bleibt nicht nur Parteichef, er will auch noch Fraktionschef im Nationalrat (dem österreichischen Parlament) werden. Dafür müsste er sein Mandat im Parlament wieder annehmen, in der Alpenrepublik ist es üblich, dass Regierungsmitglieder dies ruhen lassen. Der österreichische Verfassungsrechtler Peter Bußjäger twitterte dazu: „Fun Fact: Wenn Kurz sein Mandat im NR (wieder) annimmt, ist er zunächst einmal immun.“ Die Ermittlungen gegen ihn müssten erst einmal ruhen. Zumindest bis ein Immunitätsausschuss Gegenteiliges beschließt.

In der Opposition wurde die Ankündigung dementsprechend skeptisch aufgenommen. Die Chefin der sozialdemokratischen SPÖ, Pamela Rendi-Wagner sagte, dass das „türkise System“ bleiben werde. Türkis ist die Parteifarbe der ÖVP. Kurz werde im Hintergrund die Fäden ziehen: „Er ist zwar nicht mehr Bundeskanzler, aber Schattenkanzler der Bundesrepublik Österreich.“

Neue Details belasten Kurz & Co.

Indes wurden gestern neue Details aus den Ermittlungsakten bekannt, die bei Razzien unter anderem im Kanzleramt und der ÖVP-Zentrale sichergestellt wurden. Neben den bekannten Vorwürfen, etwa gefälschten Umfragen in österreichischen Boulevard-Medien, die für die Veröffentlichung mit Steuergeldern bezahlt worden sein sollen, irritiert der Ton, mit dem die ÖVP-Spitze nicht nur über politische Gegner, sondern auch über Parteifreunde herzieht.

Ex-ÖVP-Generalsekretär Thomas Schmid schreibt in einer Nachricht an Kurz über Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP): „Diese alten Deppen sind so unerträglich!“ Mitterlehner sei ein „Linksdilettant und ein riesen oasch!! Ich hasse ihn Bussi Thomas“. Und Kurz freut sich in seiner Antwort über eine andere Kritik an Mitterlehner: „Das stört den Arsch sicher am meisten.“

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Außerdem war bisher unklar, ob das Umfragen-Bestechungs-System auch weiter lief, nachdem Kurz im Jahr 2017 sein Ziel erreicht hatte, Kanzler zu werden. Offensichtlich ja. Im gleichen Jahr wird Thomas Schmid gefragt, ob die Praxis nun eingestellt werde? „Nein, wir machen da ganz normal weiter“, antwortete Schmid.

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