Undatierte Aufnahme zeigt gelbe Schlauchboote des Seenotrettungsschiffs „Ocean Viking“.
  • Foto: dpa-Bildfunk

„Kein Handlungsbedarf“: So hartherzig geht die EU mit Flüchtlingen um

Im Sommer flüchten immer mehr Menschen über das Mittelmeer. Und damit steigt auch die Zahl der Ertrunkenen. In diesem Jahr deutet sich in Europa ein besonders hartherziger Abschottungskurs an. Vorneweg marschiert Dänemark, aber auch die Regierungskoalition in Berlin gibt sich zugeknöpft. 

Vor gut zwei Wochen waren in 24 Stunden mehr als 2000 Menschen auf der Mittelmeerinsel Lampedusa an Land gegangen. Die italienische Regierung zählte bis dahin rund 13.000 angelandete Migranten, mehr als dreimal so viele wie im Vorjahreszeitraum.  Für die kommenden Tage und Wochen werden noch sehr viel mehr Flüchtlinge erwartet.  Seit Jahresbeginn sind laut UN-Angaben schon mehr als 700 Menschen ertrunken.

EU fordert  Mitgliedsstaaten dazu auf, Italien zu unterstützen

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hat die EU-Mitgliedsstaaten nun aufgefordert, Italien zu unterstützen und Kontingente an Flüchtlingen aufzunehmen. Doch mit diesem Appell rennt sie in Berlin in Wahlkampfzeiten nicht gerade offene Türen ein. „Es ist sicherlich ein deutlicher Anstieg, aber es ist nichts, was Italien nicht alleine bewältigen könnte. Eine deutsche Beteiligung ist vor diesem Hintergrund ausgeschlossen“, erklärte Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei (CDU) der „Welt“. Auch der migrationspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Lars Castellucci, erklärte: „Es besteht aktuell kein Bedarf zur Unterstützung.“

Ganz anders sieht das die Opposition: „Als Übergangslösung sollte Deutschland analog zu seiner Bevölkerungsstärke ein Viertel der aus Seenot Geretteten aufnehmen“, erklärte Luise Amtsberg, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen. Und auch FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae hält eine „Entlastung“ der Mittelmeerstaaten im Sommer für sinnvoll.

Aufnahme von Geflüchteten: Bundesregierung ist extrem zurückhaltend

Zuletzt zeigte sich auch die Bundesregierung bei der Aufnahme von Geflüchteten extrem zurückhaltend. So hatte es nach dem Brand im griechischen Elendslager Moria im September 2020 fast acht Monate gebraucht, bis Deutschland schließlich 1500 Menschen sprichwörtlich von den griechischen Straßen geholt hatte. Seit dem Frühjahr 2020 gibt es im Mittelmeer auch keine staatliche Seenotrettung mehr. Nur noch vereinzelt kreuzen private Rettungsschiffe von „Sea-Watch“ oder „Sea-Eye“ entlang der Flüchtlingsrouten.

Dänemark will sich nun offenbar noch stärker abschotten. Dort hatten Sozialdemokraten und Liberale am Donnerstag ein neues Gesetz beschlossen, das Asylbewerber zwingt, ihr Asylverfahren in einem Drittland abzuwarten. Bislang habe die Regierung Gespräche mit Ruanda, Tunesien, Äthiopien und Ägypten geführt, berichtete „Jyllands Posten“. Bizarr: Selbst anerkannte Asylbewerber sollen nicht mehr auf eine Zukunft in Dänemark hoffen können, sondern in UN-Flüchtlingscamps umgesiedelt werden. Das erklärte Ziel sei, dass niemand mehr in Dänemark Asyl nachfragt, ließ Premierministerin Mette Frederiksen ausrichten.

EU-Kommission warnt Dänemark

Die EU-Kommission hat die Regierung in Kopenhagen bereits gewarnt, sie werde gegen das Gesetz rechtlich vorgehen, sollte es in die Tat umgesetzt werden. Und auch das Flüchtlingshilfswerk UNHCR kritisierte das Vorhaben als unvereinbar mit europäischen Richtlinien. Die dahinter stehende Befürchtung formulierte UNHCR-Vertreter Henrik Nordentoft: „Dänemark könnte einen Dominoeffekt auslösen.“ 

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