Fand immer wieder scharfe Worte: der Andrij Melnyk
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  • Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

„Kann nicht versprechen, die Klappe zu halten“: Botschafter Melnyk verlässt Berlin

Er kritisierte, er provozierte, er polarisierte – und jetzt geht er: Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hatte am Freitag seinen letzten Arbeitstag in Berlin. Der scharfzüngige Diplomat kündigte aber bereits an: Auch in Zukunft könne er nicht versprechen, „die Klappe zu halten.“ Zum Abschied verriet er, welche große Rolle seine Frau in den vergangenen Monaten gespielt hat.

Nie hat ein Diplomat in Deutschland so ausgeteilt wie Andrij Melnyk. Altkanzlerin Angela Merkel warf er „Besessenheit mit dem Terror-Staat Russland“ vor, Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete er als „beleidigte Leberwurst“, weil der sich zu Kriegsbeginn weigerte, in die Ukraine zu reisen – und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) ging er immer wieder scharf an für dessen Russland-freundlichen Kurs als einstiger Außenminister.

Für viele war Melnyk zu laut, zu direkt, zu viel. Wiederum andere feierten ihn als unermüdlichen Kämpfer für sein Land. So sah auch Melnyk sich selbst, erklärte seine Art der Kommunikation bei „Maischberger“ zuletzt so: „Ich betrachte das als Hilferuf. Wenn jemand ertrinkt, dann ist man nicht höflich. Da muss man schreien. Und manchmal auch ein bisschen lauter werden als sonst.“

Ukraine-Botschafter Andrij Melnyk verlässt Berlin

Dass er sich in der deutschen Politik keine Freunde machte, lag neben seinen – für viele unter der Gürtellinie liegenden Kommentare – vor allem auch daran, dass er konsequent konfrontierte. Mit den vergangenen Fehlern der deutschen Russland-Politik – und so den Politikern das Versagen immer wieder unter die Nase rieb. Ob Scholz Melnyk verabschiedete, war nicht bekannt. Im August hatte der Diplomat noch angekündigt, sich beim Kanzler noch entschuldigen zu wollen – wegen der „beleidigten Leberwurst.“

Warum genau der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Melnyk im Juli von seinem Posten abberief, ist nicht bekannt. Vermutet wird, dass Melnyks Äußerungen im Interview mit dem Politik-Magazin „Jung und Naiv“ der Grund sind. Dort versuchte er hartnäckig, den ukrainischen Nationalisten Stepan Bandera reinzuwaschen. Der umstrittene Freiheitskämpfer machte mit den Nationalsozialisten gemeinsame Sache und trägt Mitverantwortung für den Massenmord an Polen und Juden im Zweiten Weltkrieg. Trotz eindeutiger historischer Belege sagte Melnyk, dass es dafür keine Beweise gibt.

Switlana Melnyk: „Habe ihm oft gesagt, er muss noch lauter werden“

„Mit reinem Gewissen und dem Gefühl, meine Pflicht gegenüber der Ukraine erfüllt zu haben“, verlasse er nun Deutschland, so Melnyk auf Twitter. „Danke, liebe deutsche Freunde, für Ihre Geduld.“ Zum Abschied offenbarten der Diplomat und seine Frau Switlana im „Spiegel“-Interview, dass sie häufig der Motor hinter seinen umstrittenen Äußerungen gewesen sei. „Ich habe ihm im Gegenteil oft gesagt, er muss noch härter kämpfen, lauter werden. Er muss noch mehr tun für unser Volk“, so Switlana Melnyk, die ihrem Mann eigentlich ein „ruhiges und harmonisches Naturell“ bescheinigte. Er bestätigte: „Meine Frau hat mich immer angespornt.“ Und: „Allein hätte ich das emotional und psychisch nie geschafft.“

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Heute will Melnyk Deutschland verlassen und in Kiew einen neuen Posten im Außenministerium übernehmen. Sein Nachfolger Olexij Makejew wird bereits Anfang kommender Woche in Berlin erwartet. Kurz vor seiner Abreise konnte Melnyk sich Folgendes nicht verkneifen: „Aber ich kann nicht versprechen, dass ich die Klappe halten werde.“

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