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  • Robert Habeck und Annalena Baerbock auf dem Grünen-Parteitag

Analyse zum Grünen-Parteitag: Aufbruch ausgefallen

Die Botschaft der Grünen-Parteispitze auf der Bundesdelegiertenkonferenz war klar: Es sollte der Startschuss in den Wahlkampf werden. Ein neuer Aufbruch nach zuletzt schwierigen Wochen. Aber irgendwie wollte sie nicht so recht zünden, die Rakete. Trotz aller Bemühtheit.

„Scheiße!“ Als Annalena Baerbock nach ihrer Parteitagsrede das Podium verließ, rief sie dieses Wörtchen Co-Parteichef Robert Habeck zu. Das Mikro war noch an. Dabei hatte sie im Grunde nur einen kleinen Verhaspler in der Rede. Aber die Inszenierung war für grüne Verhältnisse eben auf Perfektion ausgerichtet.

Gewollt: ein Aufbruchssignal, aber es blieb ein schales Gefühl

„Wir stehen vor dem Wahlkampf unseres Lebens“, hatte Habeck in seiner Rede verkündet. „Ich freu mich drauf!“ Und die frisch gekürte Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock rief ins Rund: „In diesem Sommer dreht sich der Wind!“ Auch der letzte Satz ihrer Rede hätte zur perfekten Inszenierung etwa von US-Wahlkämpfen passen können: „Jetzt ist der Moment, unser Land zu verändern!“ Aber irgendwie blieb, vor allem bei vielen politischen Beobachter:innen, ein eher schales Gefühl zurück. „Ein bisschen ist es so: Habeck hält die Kanzlerrede, sie die einer Fachpolitikerin. Jedenfalls nicht die Rede ihres Lebens“, schrieb etwa der „Spiegel“.

Und tatsächlich hatte Habecks Rede zum Auftakt des Parteitags sich weniger im Klein-Klein verloren. Der studierte Philosoph drückt sich zwar manchmal etwas zu kompliziert aus, um das gesamte Wahlvolk zu erreichen. Aber er hat eben auch die Fähigkeit, die großen Linien zu zeichnen, mit seinem Redetalent zu begeistern. „Wer das Klima schützt, schützt die Freiheit“, war der zentrale Satz seiner Rede. Die Botschaft: Wir sind im Kern liberal, keine Verbotspartei, aber der Weg in die Zukunft bedeutet eben auch, den Planeten nicht zu zerstören.

Baerbocks Rede begeisterte wenig

Baerbocks Rede wirkte dagegen eher wie ein Referieren der Kernpunkte des Parteiprogramms: Klimaschutz, Kinderrechte, Daseinsvorsorge, Europa – Es war keine schlechte Rede, aber eben auch keine begeisternde.

Apropos Programm: Neben der Kür von Baerbock als Kanzlerkandidatin und von ihr und Habeck als Wahlkampfteam (678 von 688 Stimmen), war ja vor allem darüber abgestimmt worden. Dank etlicher Änderungsanträge der linken Parteibasis hätte das Programm zerfleddert werden können. Am Ende aber setzten sich die Partei-Oberen in fast allen Fragen durch. Der Antrag, das Wort „Deutschland“ aus dem Titel des Parteiprogramms zu entfernen – zurückgezogen. 80 Euro pro Tonne CO2 statt nur 60? Abgewendet. Ein Tempolimit von 70 Stundenkilometern auf Landstraßen? Abgelehnt.

Auch in der Außen- und Verteidigungspolitik wurden Punkte beschlossen, die die Mitte nicht zu sehr abschrecken. Eine kategorische Ablehnung von Drohneneinsätzen wurde knapp abgewendet, gegen China und Russland gab es deutliche Worte.

Gerade in der Wirtschafts- und Steuerpolitik gelang es der Spitze, die Wünsche der Basis abzuschmettern oder abzumildern. Am Ende stand ein bisschen „links“, das weder der Wirtschaft noch bürgerlichen Wähler:innen all zu weh tut: Ein Spitzensteuersatz von 48 Prozent statt der geforderten 53. Ein Mindestlohn von 12 Euro statt der geforderten 13 Euro. Auch programmatisch also blieb nur ein Stotter-Aufbruch, der die Republik nicht all zu sehr ummodeln würde.

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Dem möglichen Koalitionspartner Armin Laschet (CDU) reicht das offiziell indes nicht. Er beschwor in der „BamS“ die Erzählung, dass die grünen Pläne den „Traum vom Sommerurlaub“ für die einfachen Leute in Gefahr bringen. Auch beim bevorzugten Koalitionspartner setzt er auf Altbewährtes: Er würde am liebsten mit Christian Lindners FDP, sagte er.

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