„Große Nullnummer“: Queer-Beauftragter enttäuscht von Koalitionsvertrag
In ihrem frisch beschlossenen Koalitionsvertrag halten Union und SPD fest, das erst im vergangenen November beschlossene Selbstbestimmungsgesetz bis Ende Juli 2026 zu „evaluieren“. Der amtierende Queer-Beauftragte Sven Lehmann warnt nun: Für Schwule, Lesben und andere queere Menschen in Deutschland drohen unter Schwarz-Rot Rückschritte. Auch sein Amt könnte abgeschafft werden.
Der Queer-Beauftragte der scheidenden Bundesregierung, Sven Lehmann, warnt mit Blick auf den schwarz-roten Koalitionsvertrag vor Rückschritten für seine Community. Der Vertrag sei für queere Menschen „eine große Nullnummer“, sagte Lehmann der Deutschen Presse-Agentur. „Die Fortschritte und Erfolge der letzten Jahre dürfen von der neuen Bundesregierung nicht zurückgedreht werden.“
Lehmann: Selbstbestimmungsgesetz nicht „entkernen“
Mit „queer“ sind sämtliche geschlechtliche Identitäten und sexuelle Orientierungen gemeint – unter anderem homosexuelle, bisexuelle, intersexuelle und transgeschlechtliche Menschen.

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Der Grünen-Politiker warnt auch ausdrücklich davor, das von der Ampel auf den Weg gebrachte Selbstbestimmungsgesetz zurückzunehmen. Mit dem Gesetz, das erst im November 2024 in Kraft getreten war, sind Änderungen des Geschlechtseintrags und des Vornamens auf dem Amt deutlich erleichtert worden.
In ihrem diese Woche beschlossenen Koalitionsvertrag halten Union und SPD fest, das Gesetz bis Ende Juli 2026 „evaluieren“ und unter anderem seine „Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche“ überprüfen zu wollen. Lehmann mahnte, dass dies keine Abschwächung zur Folge haben dürfe. „Ich bekomme sehr berührende Nachrichten aus der Community, die sich durch dieses Gesetz endlich vom Staat so anerkannt fühlen“, sagte Lehmann. „Ich kann nur davor warnen, transgeschlechtlichen Menschen wieder ihre Rechte zu nehmen und das Selbstbestimmungsgesetz zu entkernen.“
Überprüfung erst 2029 fällig
Es sei immerhin gut, dass die Koalition keine Abschaffung plane, so Lehmann. Eine Evaluation sehe das Gesetz ohnehin vor, betonte er. Allerdings wäre die von ihm erwähnte Überprüfung erst im Jahr 2029 fällig – und nicht schon bis Juli 2026, wie es Union und SPD vorhaben.
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Das Gesetz war auf den Weg gebracht worden, um das seit Jahren in der queeren Community als demütigend empfundene Transsexuellengesetz abzulösen. Mit dem neuen Gesetz wurde es queeren Menschen deutlich leichter gemacht, auf dem Amt ihren Geschlechtseintrag ändern zu lassen. Zuvor waren dafür aufwendige Gutachten nötig.
CDU-Politikerin Breher verteidigt geplante Überprüfung
Die CDU-Familienpolitikerin Silvia Breher, die auch als mögliche künftige Familienministerin gehandelt wird, brachte im Gespräch mit dem Fernsehsender Welt ihre Bedenken zum Ausdruck: „Wir wollen valide Zahlen. Wir wollen wissen, wo tatsächlich Verbesserungen dann notwendig und auch machbar sind. Und die werden wir dann gemeinsam umsetzen“, kündigte sie an. Das Selbstbestimmungsgesetz in seiner jetzigen Form biete immer noch Anlass zur Sorge, erklärte Breher. „Die Sorge ist natürlich da – und genau deshalb wird es die Evaluation geben.“
Schon vor der Verabschiedung hatten unter anderem Unionspolitiker, aber auch Politiker der AfD, davor gewarnt, dass Geschlechtseinträge mit dem neuen Gesetz „beliebig“ und ohne triftigen Grund geändert werden könnten. Diesen Eindruck weist Lehmann entschieden zurück: Die „hohen Anmeldezahlen“ zur Änderung des Eintrags würden vielmehr belegen, „wie lange transgeschlechtliche Menschen auf dieses Gesetz gewartet haben“, sagte er.
Lehmann fordert das Amt des Queer-Beauftragten zu erhalten
Nach Schätzungen des Bundesfamilienministeriums könnten jährlich etwa 4000 Anträge auf Änderung des Geschlechts bei den Ämtern eingehen. Verlässliche Erhebungen dazu gebe es aber bislang nicht.
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Lehmann forderte die künftige Regierung außerdem auf, auch bei anderen Themen wie der rechtlichen Gleichstellung lesbischer Paare an die Arbeit der früheren Bundesregierung anzuknüpfen und auch am Amt des Queer-Beauftragten festzuhalten. In ihrem Koalitionsvertrag nehmen sich Union und SPD vor, die Zahl der Bundesbeauftragten um die Hälfte zu reduzieren. Welche Ämter genau wegfallen sollen, ist allerdings noch unklar. (dpa/mp)
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