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Bauer auf Feld
  • Ein Weizenbauer auf seinem Feld.
  • Foto: imago images/Westend61

Globale Getreidekrise: Die große Angst vor einem „Hurrikan des Hungers“

In der „Kornkammer“ Europas herrscht Krieg – und das betrifft die ganze Welt. UN-Generalsekretär António Guterres warnte gerade: „Wir müssen alles tun, um einen Hurrikan des Hungers und einen Zusammenbruch des globalen Ernährungssystems abzuwenden.“ Das klingt schrecklich – aber wie hängt das alles zusammen? Und müssen auch wir Angst vor Ernährungsengpässen haben? Die MOPO beantwortet die wichtigsten Fragen zur weltweiten Ernährungssituation während des Ukraine-Kriegs.

Was hat der Krieg in der Ukraine mit dem weltweiten Hunger zu tun? 
Nahezu ein Drittel des international gehandelten Weizens stammt aus der Ukraine und aus Russland. Obendrein haben beide hohe Weltmarktanteile bei Gerste, Mais und Sonnenblumenöl. 45 afrikanische und damit auch einige der ärmsten Länder der Welt importieren lebenswichtiges Getreide zu einem großen Teil aus diesen beiden Ländern. Die Preise steigen enorm – obendrein hat Russland angekündigt, die Ausfuhr unter anderem von Weizen, Gerste und Roggen zu beschränken. Damit soll der Bedarf im Land gesichert werden. Darum droht eine weltweite Hungerkrise.

Welche Engpässe gibt es in dem Zusammenhang noch?
Da ist noch das Problem mit dem Dünger, ohne den effektiver Getreideanbau heutzutage gar nicht mehr möglich ist. Auch der ist extrem viel teurer geworden: Der Preis für Mineraldünger ist wegen der extrem hohen Energiepreise um 300 Prozent gestiegen. Und: Russland ist nicht nur der größte Weizenexporteur der Welt, sondern auch der größte Exporteur von Stickstoffdünger. Eigentlich.

Krise betrifft vor allem Länder in Nordafrika und dem Mittleren Osten

Welche Länder trifft die Getreide-Krise besonders?
Der Agrarökonom Matin Qaim von der Universität Bonn erklärte im Deutschlandfunk: „Das sind vor allen Dingen Länder in Nordafrika, Mittlerer Osten, die zu einem ganz, ganz großen Anteil auf Lebensmittel-Exporte aus Russland und der Ukraine angewiesen sind.“ Schon vor dem Krieg hätten weltweit 800 Millionen Menschen an Hunger gelitten, sagt Qaim. Er befürchtet, dass durch den Krieg bis zu 100 Millionen Hungernde dazukommen.

Wie ist die Situation in Deutschland? Müssen wir auch Angst vor einem Getreidemangel haben?
Dazu hat sich Landwirtschaftsminister Cem Özdemir gerade sehr deutlich geäußert: „Die Versorgung in Deutschland mit Lebensmitteln ist sichergestellt. Wer anderes behauptet, handelt gegen die Fakten – und politisch verantwortungslos!“ Allerdings wird im Supermarkt vieles noch teurer werden: Die hohen Strom- und Gaskosten werden nicht nur die Preise für Treibhausgemüse, sondern auch für Molkereiprodukte in die Höhe treiben, befürchtet das Bundesagrarministerium.


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Ernährung, Futter, Kraftstoff: Wofür genau wird Getreide eigentlich verwendet?
Insgesamt ernteten deutsche Bauern im Wirtschaftsjahr 2021/21 etwa 43,3 Millionen Tonnen Getreide – also sogar etwas mehr, als verbraucht wird – das sind nämlich 43 Millionen Tonnen. Was Verbraucher überraschen dürfte: Davon werden mit 8,6 Mio. Tonnen tatsächlich gerade einmal 20 Prozent für die menschliche Ernährung benötigt, wie das Fachblatt „agrarheute“ berichtet. Viel, viel mehr, nämlich 25 Millionen Tonnen oder 58 Prozent der Ernte, werden an Tiere verfüttert. Das wird von Naturschützern schon lange kritisiert. Genauso wie der hohe Anteil von Getreide, der in die Biokraftstoffproduktion geht. Agrarökonom Matin Qaim im Deutschlandradio: „Das ist zum Teil Bio-Ethanol, Biodiesel. Bei uns spielt Biogas eine Rolle, wo relativ viel Mais reingeht.“

Was muss jetzt passieren?
„Der Krieg führt uns die verletzlichen Stellen unseres Agrarsystems vor Augen“, sagt Cem Özdemir. Aus der Union gibt es Forderungen, die Öko-Wende in der Landwirtschaft zugunsten intensiver Nutzung der Felder zu verschieben – schließlich habe Ernährungssicherheit einen höheren Stellenwert. Özdemir kontert: „Auch wenn manche das gerne ausblenden, Klimakatastrophe und Artensterben sind real existierende Probleme, die wir lösen müssen.“ Ein Ziel gegen das andere auszuspielen, würde ja bedeuten, eine Krise mit der nächsten zu bekämpfen. „Das ist weder klug noch effektiv.“ Ihm gehe es um schnelle Hilfen, so dürfen Landwirte zum Beispiel jetzt mehr Flächen für den Futteranbau nutzen.

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Auch der ukrainische Staat verspricht seinen Bauern Unterstützung: Man habe beschlossen, Zinsen für landwirtschaftliche Kredite zu kompensieren, sagte Ministerpräsident Denys Schmyhal. Und man werde Landwirten staatliche Garantien von 80 Prozent des Betrags der von ihnen aufgenommenen Kredite gewähren. So könnten die ukrainischen Landwirte Geld für die Aussaat aufbringen und sich sicher sein, dass sie nicht bankrott gehen, sollten sie wegen der kriegerischen Auseinandersetzung im Land ihre Ernte verlieren.

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