Gas-Pläne in Berlin: Ungerecht durch den Winter?
„Ist es perfekt? Sicher nicht.“ – so die selbstkritische Einschätzung des Präsidenten des Bundesverbandes der Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, bei der Vorstellung des von ihm mit entworfenen Konzepts für den deutschen Gas-Winter. Wenn schon die Kommission derart selbst zweifelt – kein Wunder, dass Kritiker:innen anderntags nochmal einen drauf setzten: zu spät, zu gießkannig, zu kompliziert. Wird es ein ungerechter Winter?
Ein Gutes lässt sich definitiv festhalten: Die Gas-Umlage, von manchen schon früh als „Murks“ geschmäht, ist weg. Stattdessen gibt‘s vom Staat die Abschlagszahlungen im Dezember, zumindest für Privathaushalte und kleinere Unternehmen. Und ab dem Frühjahr soll der Gaspreis pro Kilowattstunde bei 12 Cent gehalten werden, zumindest bis 80 Prozent des bisherigen Durchschnittsverbrauchs erreicht sind.
Dennoch bleiben viele Fragen offen. Vieles wirkt mit heißer Nadel gestrickt – als hätten die Temperaturen im bewusst kaum beheizten Verhandlungsraum dafür gesorgt, dass manches nicht ganz durchdacht wurde.
Die Gießkanne:
Vor allem die Einmalzahlung im Dezember für Gas- und Fernwärme-Kunden wird in der Luft zerrissen. Das vorgeschlagene Modell sei sozial ungerecht, sagte etwa Verdi-Chef Frank Werneke: „Durch das Modell wird eine Zweizimmerwohnung genauso behandelt wie eine Villa mit Pool.“ Werneke hatte als Kommissionsmitglied selbst an den Beratungen teilgenommen. „Trotz der unzureichenden sozialen Balance“ habe er dennoch zugestimmt, weil es konkrete Verbesserungen für die Verbraucher:innen gebe.
Noch deutlicher wurde Linkspartei-Chef Martin Schirdewan: „Zutiefst unsozial“ seien die Vorschläge. „Das ist Krisenpolitik für Besserverdienende.“ Die Kommission sieht das Problem offenbar selbst, will daher zusätzlich einen Härtefallfonds für besonders Betroffene.
Sparer werden bestraft:
Die Einmalzahlungen sollen auf Basis der Abschläge vom September 2022 angesetzt werden. Wer da schon gespart hat, schaue nun eventuell in die Röhre, befürchtet Energie-Expertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).
Ungezügelter Gas-Verbrauch:
Zwar hieß es, dass man mit der 80-Prozent-Regelung ab dem Frühjahr weiter einen Anreiz zum Sparen setze. Dennoch besteht die Gefahr, dass im Dezember nun viele ungezügelt heizen.
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Der Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts ifo, Clemens Fuest, warnt. Man müsse den Menschen genau erklären: Dass der Staat Abschlagszahlungen im Dezember übernehme, hieße etwa nicht die Übernahme der gesamten Heizkosten. Außerdem: Die Gasmenge in Europa sei begrenzt. Und sollte irgendwann im Winter das Gas vollständig verbraucht sein, wäre das verheerend für den Wirtschaftsstandort Deutschland, und somit alle Verbraucher:innen.
Gas-Deckel viel zu spät:
Der Parlamentarische Unions-Geschäftsführer Thorsten Frei (CDU) sagte, der Gas-Deckel im Frühjahr komme sehr nah an das heran, was die Union schon im Frühsommer formuliert habe. Die Deckelung hätte schon jetzt kommen können, „wenn die Bundesregierung nicht ein Vierteljahr im Sommer damit verplempert hätte, ihre ganze Kraft in eine Gasumlage zu stecken, die dann am Ende Gott sei Dank doch nicht gekommen ist“.