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Wolfgang Schäuble
  • Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) ist gestorben.
  • Foto: dpa

Ein Leben für die Politik – Wolfgang Schäuble gestorben

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble ist tot. Der CDU-Politiker sei im Kreise seiner Familie zu Hause am Dienstagabend gegen 20 Uhr friedlich eingeschlafen, teilte die Familie am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur mit. Die Politik war ihm wohl in die Wiege gelegt. Schon der Vater war CDU-Politiker, der Bruder wurde es ebenfalls. Doch die Karriere von Wolfgang Schäuble war einzigartig.

Manche nannten ihn Strippenzieher, andere graue Eminenz oder auch Sphinx, weil er so schwer zu durchschauen war. Unbestritten ist mit Wolfgang Schäuble eine der herausragenden Karrieren in der bundesdeutschen Geschichte verbunden. Daran änderte auch ein Attentat eines Verwirrten im Oktober 1990 nichts, das Schäuble in den Rollstuhl zwang.

Schäuble, dessen Vater Karl schon für die CDU im Badischen Landtag saß, hat viel erreicht in seinem Leben. Er war Chef des Kanzleramtes, zweimal Innenminister, Finanzminister, er führte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, stand schließlich dem Bundestag als Präsident vor. Niemand gehörte dem Parlament länger an als er, als „ewiger Abgeordneter“ wurde er mitunter tituliert. 1972 war er erstmals ins „Hohe Haus“ eingezogen, dem er ohne Unterbrechung bis zu seinem Tod am Dienstagabend angehörte. Die Wegbegleiter hatten es nicht immer leicht mit dem Badener.

Schäuble und Kohl – eine enge Beziehung endet im Bruch

Kanzler Helmut Kohl macht Schäuble 1984 zum Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben, von 1989 bis 1991 dann zum Bundesinnenminister. Schäuble handelt nach dem Mauerfall in der DDR den Einigungsvertrag mit aus und gehört mit zu den Architekten der Wiedervereinigung. Als Chef der Unionsfraktion sichert Schäuble von 1991 bis 2000 Kohls Regierungsmacht ab. Zur Bundestagswahl 1998 tritt Kohl noch einmal an, benennt aber Schäuble zu seinem Wunschnachfolger zu einem späteren Zeitpunkt. Dazu sollte es nicht kommen. Die Union verliert die Wahl. Schäuble wird aber Parteichef.

Der scheidende CDU-Vorsitzende Helmut Kohl gratuliert am 07.11.1998 auf dem CDU-Parteitag in Bonn dem neugewählten Vorsitzenden Wolfgang Schäuble (Archivbild). dpa
Schäuble und Kohl
Der scheidende CDU-Vorsitzende Helmut Kohl gratuliert am 07.11.1998 auf dem CDU-Parteitag in Bonn dem neugewählten Vorsitzenden Wolfgang Schäuble (Archivbild).

Schon bald danach erschüttert eine Spendenaffäre die CDU. Sie kostet Kohl den Ehrenvorsitz, die Turbulenzen erfassen aber auch Schäuble. Unter dem Druck immer neuer Enthüllungen über eine Barspende in Höhe von 100 000 Mark vom Waffenhändler Karlheinz Schreiber gibt Schäuble im Februar 2000 den Vorsitz von Partei und Fraktion auf. Es kommt zum Bruch mit seinem einstigen Freund und Förderer Kohl. Der Riss lässt sich nie wieder kitten. Schäubles jüngerer und 2013 verstorbener Bruder Thomas, einst Innenminister von Baden-Württemberg, sagt später dazu: „Ich verabscheue Herrn Kohl. Und ich kann da für die ganze Familie sprechen.“

Schäuble und Merkel – loyal trotz gelegentlicher Differenzen

Ohne Schäuble wäre die Karriere von Angela Merkel womöglich anders verlaufen. Nach dem Abgang Kohls vom Parteivorsitz macht der neue CDU-Chef Schäuble die vormalige Ministerin zur Generalsekretärin. Als der Strudel der Spendenaffäre auch Schäuble mitreißt, spült die Parteibasis Merkel an die Parteispitze. Als Kanzlerin beruft sie 2005 Schäuble erneut zum Innenminister, 2009 dann zum Finanzminister. In der Griechenland-Krise treten unterschiedliche Meinungen beider zutage, Merkel hält aber an ihrem Finanzminister fest, auch als er bei einem Krisentreffen zur Euro-Rettung aus gesundheitlichen Gründen ausfällt. Auf der Haben-Seite als Finanzminister steht die „schwarze Null“, also ein Bundeshaushalt ohne neue Schulden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) unterhalten sich vor Beginn der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag (Archivbild). dpa
Schäuble
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) unterhalten sich vor Beginn der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag (Archivbild).

Trotz gelegentlicher Differenzen steht Schäuble loyal zu Merkel. Zum Ende ihrer Amtszeit hat er Lob und ein wenig Kritik für sie parat. Im Wahlkampf erklärt er im „Tagesspiegel“, dass er in Merkels Entscheidung, 2018 den CDU-Vorsitz abzugeben, einen Grund für das „enge Rennen“ zwischen Union und SPD sieht. Auf der anderen Seite lobt er bei eine Veranstaltung des Nachrichtenportals „The Pioneer“: „Angela Merkel hat uns in 16 Jahren mit unglaublichen disruptiven Veränderungen Stabilität gesichert. Das ist eine große Leistung.“ Schäuble würdigt ihre Bescheidenheit, lässt aber auch durchblicken, dass er sich gelegentlich entschlossenere Führung gewünscht hätte.

Schäuble und die CDU

Wenngleich die Zeit des Parteivorsitzes nur kurz war, bleibt Schäuble einer der einflussreichsten Politiker in seiner Partei und mischt in den Spitzengremien mit. Im Krimi um die Kanzlerkandidatur 2021 schlägt er sich auf die Seite des CDU-Vorsitzenden Armin Laschet, der das Rennen gegen CSU-Chef Markus Söder gewinnt, jenes um das Kanzleramt aber verliert. Erst nach der von der Union verlorenen Bundestagswahl 2021 zieht sich Schäuble aus den Führungsgremien zurück.

Schäuble und der Bundestag

Mit 45-jähriger Parlamentserfahrung wird Schäuble 2017 zum Bundestagspräsidenten gewählt, es ist das zweithöchste Amt in der Bundesrepublik. Darüber steht nur das des Bundespräsidenten. Auch dafür wurde Schäuble mehrmals gehandelt, es fehlte wohl die nötige Unterstützung Merkels. Als Bundestagspräsident steht Schäuble zwei großen Herausforderungen gegenüber. Beim Umgang mit einer starken AfD-Fraktion wählt er klare Worte, aber keinen zu rauen Ton. Erfolglos bleibt hingegen sein Bemühen um eine Wahlrechtsreform, um die weitere Aufblähung der Abgeordnetenzahl zu verhindern. Er scheitert im Wesentlichen an den eigenen Reihen.

Wolfgang Schäuble (CDU) und seine Frau Ingeborg Schäuble im Juli bei der Eröffnung der Ausstellung „Wolf Biermann“ (Archivbild). dpa
Schäuble und Frau
Wolfgang Schäuble (CDU) und seine Frau Ingeborg Schäuble im Juli bei der Eröffnung der Ausstellung „Wolf Biermann“ (Archivbild).

Anders als die Kanzlerin steigt Schäuble 2021 nach dem Machtverlust der Union nicht aus der Politik aus und kandidiert erneut für den Bundestag, dem er schon fast ein halbes Jahrhundert angehört. In seinem Wahlkreis Offenburg holt er wieder das Direktmandat. Dem Vorbild anderer CDU-Politiker wie Peter Altmaier oder Annegret Kramp-Karrenbauer, die auf ihr gewonnenes Mandat zugunsten von Jüngeren verzichten, folgt Schäuble nicht. Er wolle das Mandat wahrnehmen, und zwar über die volle Wahlperiode, sagt ein Sprecher.

Schäuble bleibt einfacher Abgeordneter. Als Alterspräsident – nach einer Regeländerung zuungunsten der AfD ist das nun jener Politiker mit den meisten Jahren im Bundestag – eröffnet Schäuble die erste Sitzung und wirbt für offenen Diskurs und selbstbewusste Abgeordnete. Schäuble sah sich als „Parlamentarier mit Leib und Seele“, wie er selbst einmal sagte.

Politiker würdigen Schäuble

Zahlreiche Wegbegleiter und Politiker würdigten am Mittwoch die Verdienste Schäubles. „Sein Intellekt, seine Freude an der demokratischen Auseinandersetzung, sein konservatives Weltbild und seine rhetorische Schärfe zeichneten ihn in all dieser Zeit ganz besonders aus“, hieß es in einer Erklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). „Deutschland verliert einen prägenden Christdemokraten, der gerne stritt und dabei doch nie aus dem Blick verlor, worum es geht in der Politik: Das Leben der Bürgerinnen und Bürger besser zu machen.“

Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel hat „mit großer Bestürzung“ auf den Tod ihres langjährigen politischen Weggefährten Wolfgang Schäuble (beide CDU) reagiert. „Deutschland verliert mit ihm eine überragende Persönlichkeit mit politischer und programmatischer Weitsicht„, hieß es in einer Erklärung Merkels vom Mittwoch. „Wolfgang Schäubles Stimme werden wir in Deutschland vermissen, sein Rat wird mir persönlich fehlen.“ Er habe die Fähigkeit gehabt, weit über den Tag hinaus große politische Entwicklungen zu erkennen und zu gestalten.

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„Mit Wolfgang Schäuble ist ein bedeutender Mensch und Politiker von uns gegangen“, sagte Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne). Schäubles Intellekt, seine politische Erfahrung und seine Liebe zu Deutschland und Europa hätten ihn zu einem der ganz großen Persönlichkeiten der deutschen Politik gemacht. „Seine Verdienste um die Deutsche Einheit werden unvergessen bleiben, seine Leidenschaft als Parlamentarier wird im Deutschen Bundestag stets Vorbild für kommende Generationen sein“, sagte Fegebank.

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