Bundeskanzler Olaf Scholz (M.), Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (l., beide SPD) und weils Amtskollege aus NRW Hendrik Wüst (CDU) stellen die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels vor.
  • Bundeskanzler Olaf Scholz (M.), Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (l., beide SPD) und weils Amtskollege aus NRW Hendrik Wüst (CDU) stellen die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels vor.
  • Foto: picture alliance / dpa | Bernd von Jutrczenka

Flüchtlingsgipfel: Kommunen enttäuscht – Pro Asyl „schockiert“

Die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels von Bund und Ländern stoßen auf viel Kritik: Sowohl die Kommunen als auch die Opposition im Bundestag und Hilfsorganisationen wie Pro Asyl zeigen sich enttäuscht.

„Eine Einigung erst im November kommt für das Jahr 2024 deutlich zu spät und stößt bei den Kommunen auf große Enttäuschung“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der „Rheinischen Post“ (Donnerstag).

Er äußerte sich mit Blick darauf, dass eine dauerhafte Lösung zur Finanzierung der Unterbringung von Geflüchteten auf den Herbst vertagt worden war. „Das ist ein schlechtes Signal an die Städte“, sagte Städtetags-Präsident Markus Lewe der Zeitung. Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, nannte die Runde im Kanzleramt im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) einen „Enttäuschungsgipfel“.

Flüchtlingsgipfel: Pro Asyl „schockiert“ über Beschlüsse von Bund und Ländern

Die Organisation Pro Asyl kritisierte scharf, dass sich Bund und Länder für Asylverfahren an den Außengrenzen der EU stark machen wollen. Pro Asyl sei „schockiert, dass der Gipfel zu einer Finanzeinigung auf Kosten der Menschenrechte fliehender Menschen geführt hat“, sagte die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, Wiebke Judith, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

„Haftzentren an den EU-Außengrenzen sind das Rezept für ein menschenrechtliches Desaster“, kritisierte Judith und forderte, die Bundesregierung müsse „dringend zu einer menschenrechtsbasierten Politik“ zurückkehren. Es sei zu hoffen, „dass in wenigen Wochen nicht die gleiche Debatte tobt – denn diese öffentliche Diskussion war Wasser auf den Mühlen der Rechtspopulisten“, monierte sie.

Bund will eine Milliarde zusätzlich zur Versorgung von Geflüchteten bereitstellen

Der Bund hatte bei der Einigung am Mittwochabend eine Milliarde Euro als zusätzliche Beteiligung an den Kosten der Versorgung von Geflüchteten für dieses Jahr zugesagt. Über die künftige Aufschlüsselung der Kosten soll aber zunächst in einer Arbeitsgruppe beraten und erst im November entschieden werden. Die Milliarde sei „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, kritisierte Landsberg.

Das könnte Sie auch interessieren: Tschentscher: Flüchtlingsgipfel hat „gutes Ende genommen“

Mit dem Betrag sollen die Länder dabei unterstützt werden, ihre Kommunen zusätzlich zu entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren. Der Bund hatte zuvor bereits 1,5 Milliarden Euro für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in diesem Jahr zugesagt sowie 1,25 Milliarden Euro für andere Geflüchtete. Sachsen, Bayern und Sachsen-Anhalt hielten in einer Protokollerklärung Vorbehalte gegenüber den Gipfel-Ergebnissen fest.

Flüchtlingsgipfel: Aufstockung gilt als Zugeständnis an die Länder

Die Aufstockung der Beteiligung gilt als Zugeständnis an die Länder. Die sehen allerdings den Bund grundsätzlich in der Pflicht. „Der Bund allein hält den Schlüssel zur Steuerung und Begrenzung der Migration in der Hand. Solange er diesen Schlüssel nicht ausreichend nutzt, muss er sich an den Kosten der Länder und Kommunen beteiligen“, sagte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), der im November Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) sein wird.

In dem Beschlusspapier des Gipfels heißt es auch: „Aus Sicht der Länder bedarf es eines atmenden Systems, bei dem sich die finanzielle Unterstützung des Bundes an den Zugangszahlen der Geflüchteten orientiert.“

Umgang mit Geflüchteten: Das will Deutschland auf EU-Ebene durchsetzen

Überwiegend begrüßt wurden Absichtserklärungen der Bundesregierung, die sogenannte irreguläre Migration stärker einzudämmen, auch wenn hierfür noch Verhandlungen auf EU-Ebene bevorstehen. Um Abschiebungen konsequenter durchzusetzen, hätten sich Bund und Länder auch darauf verständigt, die maximale Dauer des Ausreisegewahrsams von derzeit 10 auf 28 Tage zu verlängern, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

In Ausreisegewahrsam können Menschen genommen werden, die in ihre Heimatländer abgeschoben werden sollen, sich aber häufiger unkooperativ verhalten haben – zum Beispiel mit falschen Angaben über ihre Staatsangehörigkeit. Vereinbart wurden den Angaben zufolge auch erweiterte Zuständigkeiten der Bundespolizei und ein verbesserter Informationsaustausch zwischen Justiz- und Ausländerbehörden.

Flüchtlingsgipfel: Erste Verfahren schon an den „EU-Außengrenzen“

Laut dem Beschlusspapier des Treffens im Kanzleramt will sich der Bund zudem dafür einsetzen, dass Verfahren für bestimmte Personengruppen verpflichtend schon „an den EU-Außengrenzen“ erfolgen. Dabei geht es um Menschen, „bei denen voraussichtlich eine geringe Chance auf Zuerkennung von internationalem Schutz besteht“, wie es in dem Papier heißt.

Rückführungen sollen dann direkt von dort erfolgen. In den vergangenen Jahren sind Anläufe für die Asyl-Reform wegen zu unterschiedlicher Interessen der EU-Mitgliedstaaten aber immer wieder gescheitert. (dpa/afp/mp)

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp