„Antisemitismus erledigt sich nicht durch Abschiebungen“
Hass, Hetze und antisemitische Parolen haben auch in Hamburg seit dem Angriff der Terror-Organisation Hamas auf Israel zugenommen. Trotz Demonstrationsverboten kommt es immer wieder zu Krawallen, die jüdische Gemeinde ist in Sorge. Katharina Fegebank (Grüne), Zweite Bürgermeisterin und Gleichstellungssenatorin, benennt im MOPO-Interview, was der Senat dagegen tut. Außerdem spricht sie darüber, wie „perfide“ sie es findet, dass rechte Gruppen das Thema für sich entdecken und fordert, dass sich die Klimabewegung klar von Antisemitismus in den eigenen Reihen distanzieren muss.
Hass, Hetze und antisemitische Parolen haben auch in Hamburg seit dem Angriff der Terror-Organisation Hamas auf Israel zugenommen. Trotz Demonstrationsverboten kommt es immer wieder zu Krawallen, die jüdische Gemeinde ist in Sorge. Katharina Fegebank (Grüne), Zweite Bürgermeisterin und Gleichstellungssenatorin, benennt im MOPO-Interview, was der Senat dagegen tut. Außerdem spricht sie darüber, wie „perfide“ sie es findet, dass rechte Gruppen das Thema für sich entdecken und fordert, dass sich die Klimabewegung klar von Antisemitismus in den eigenen Reihen distanzieren muss.
MOPO: Juden haben Angst um ihre Sicherheit, trauen sich nicht mehr, öffentlich Hebräisch zu sprechen oder beim Lieferdienst ihren richtigen Namen anzugeben. Was macht das mit Ihnen?
Katharina Fegebank: Es macht mich sprachlos, sehr traurig und erschüttert mich zutiefst. Der barbarische Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ist eine neue Dimension des Hasses auf Jüdinnen und Juden.
Wir erleben beispiellose antisemitische Hetze in Deutschland und Europa. Islamisten marschieren durch Städte, Juden wird öffentlich der Tod gewünscht. Wie bekämpft man das?
Mit der klaren Haltung, dass Jüdinnen und Juden Teil unserer Gesellschaft sind und ihnen unser Schutz sicher ist. Jeder Antisemitismus, der rechte, der in islamischen und der in linken Kreisen, muss benannt und bekämpft werden. Jeder Form von Antisemitismus muss mit Worten und Taten begegnet werden, das kann nicht nur Politik tun, das muss auch jede und jeder Einzelne in der Familie, im Sportverein oder in der Nachbarschaft tun.
Was will der Senat konkret machen, damit Hamburger Jüdinnen und Juden keine Angst mehr haben müssen?
Der Dialog mit der jüdischen Gemeinde ist wichtig, um die Perspektive derjenigen, die jetzt mit Leid und Trauer umgehen müssen, zu hören. Es ist außerdem unsere Aufgabe, die Sicherheit der jüdischen Gemeinde zu gewährleisten und jüdisches Leben in der Stadt sichtbar zu machen, so wie wir es mit dem Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge tun. Und wir sollten uns genau angucken, wo es noch Lücken im Gesetz gibt, was die Verfolgung antisemitischer Straftaten angeht. Das Thema Bildung spielt auch eine große Rolle. Altersgerechte Antisemitismusprävention muss Pflichtprogramm für alle Hamburger Schülerinnen und Schüler sein.
War die Politik, und da besonders die Grünen, blind gegenüber Antisemitismus von Muslimen und vermeintlich progressiven linken Gruppen?
Nein, alle demokratischen Parteien stehen unmissverständlich an der Seite Israels, stehen zu Israels Existenzrecht und auch dem Recht, sich zu verteidigen. Antisemitismus muss benannt werden, auch von links. Mitunter ist das schmerzhaft, wie wir das bei Teilen der Klimabewegung sehen. Aber es muss benannt werden und ich erwarte, dass sich alle davon distanzieren.
Sind die erschreckenden Bilder von islamistischen Protesten mit ein Grund, warum die Grünen plötzlich massive Verschärfungen beim Kampf gegen illegale Einwanderung mittragen?
Nein, diese Debatte läuft ja schon seit einer viel längeren Zeit. Und wir sollten sie auch getrennt voneinander führen. Wir nehmen viele Menschen aus Humanität auf, sehen aber auch, dass Städte und Kommunen bei Wohnraum und Integration an ihre Grenzen stoßen.
Bleibt Hamburg bei der knallharten Verbotslinie gegenüber den sogenannten Pro-Palästina-Protesten?
Das wird immer neu überprüft und der aktuellen Lage angepasst. Es ist nicht so, dass Demonstrationen generell verboten sind, es gibt Einzelfallprüfungen für jede Anmeldung. Verboten werden sie etwa, wenn erwartet wird, dass es zu kriminellen Handlungen kommt oder man befürchten muss, dass die Hamas für ihre Taten gefeiert werden soll.
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Gleichzeitig reüssieren rechte Parteien wie nie, sie nutzen die aktuellen Bilder für ihre in Teilen rechtsextreme Agenda. Was muss getan werden, damit sie damit keinen Erfolg haben?
Es ist ziemlich perfide, dass jetzt rechte Gruppierungen und Parteien das Thema islamischer Antisemitismus für sich entdecken, um Stimmung zu machen gegen eine Gruppe, die selbst von Rassismus betroffen ist – und um ablenken zu wollen von der Debatte um rechten Antisemitismus. Antisemitismus erledigt sich nicht durch Abschiebungen. Was es jetzt braucht: den Menschen zuhören und ihre Sorgen ernst nehmen, gut gemeinsam regieren, Probleme lösen und die vermeintlich einfachen Antworten auf komplexe Fragen, die die Rechten anbieten, entlarven.