Ein Handy-Display zeigt das Logo der Online-Plattform X
  • Experten des Außenministeriums decken russische Troll-Kampagne auf X auf.
  • Foto: picture alliance/dpa/Monika Skolimowska

Eine Million Tweets: Baerbock-Experten decken russische Troll-Kampagne auf

Tausende falsche Nutzerkonten, über eine Million Tweets: Experten des Auswärtigen Amts haben eine großangelegte russische Lügenkampagne auf der Plattform X aufgedeckt. Das Ziel der Desinformation: die Wut in der Bevölkerung anheizen und das Vertrauen in Regierung und Demokratie vernichten. Dafür nutzen die Angreifer auch die Namen seriöser Medien und Journalisten, mit denen sie falsche Doppelgänger-Seiten und Artikel erstellen.

Im Auftrag des Referats für Strategische Kommunikation im Auswärtigen Amt haben Experten vom 20. Dezember bis 20. Januar mit einer speziellen Software den Kurznachrichtendienst X ausgewertet. Das Ergebnis: Mehr als 50.000 gefälschte Nutzerkonten, die auf deutsch koordiniert Stimmung mit falschen Inhalten machten – mit mehr als einer Million Tweets.

Die vertrauliche Analyse liegt dem „Spiegel“ in Auszügen vor. Darin zeigt sich, dass es Tage gab, an denen die Experten 200.000 dieser Nachrichten registrierten. Das entspricht ungefähr zwei Mitteilungen pro Sekunde. Der Tenor vieler Tweets: Die Bundesregierung vernachlässige die Deutschen, um die Ukraine zu unterstützen.

Berlin: Auswärtiges Amt deckt russische Troll-Kampagne auf

So hieß es in einer Kurznachricht: „Ich finde es enttäuschend, dass die Regierung mehr für andere Länder tut als für die eigenen Bürger“. In einer anderen: „Es ist eine Schande, dass die Ampel-Koalition die Probleme im eigenen Land nicht zuerst angeht.“

Besonders tückisch: Die Angreifer missbrauchen als angeblichen Beleg ihrer Aussagen bekannte Medien wie den „Spiegel“, die „Welt“ oder die „Süddeutsche Zeitung“. Für ihre Fake-Accounts nutzen sie Links, die zu Seiten führen, die auf den ersten Blick wie die Originalportale dieser Medien aussehen, tatsächlich jedoch komplett gefälscht sind. Zu erkennen ist das oftmals nur an falschen Domain-Bezeichnungen – wie .ltd statt .de beim falschen Spiegel-Portal.

Den russischen Trollen scheint es darum zu gehen, Stimmungen in der Bevölkerung aufzugreifen und künstlich aufzubauschen. Ihr Ziel: Die Wut anheizen und das Vertrauen in Regierung, Demokratie und Medien untergraben.

Lügenkampagne: Deutsche Hilfe für Ukraine oftmals im Fokus

Insbesondere die deutsche Hilfe für die Ukraine wird für den Desinformationsangriff oft instrumentalisiert. Das lenkte den Verdacht der Experten schnell auf Russland – genau wie ein kyrillisches Zeichen auf einer der gefälschten Fotomontagen, die angeblich einen Tweet von Außenministerin Annalena Baerbock zeigte. Forensische Analysen bestätigten schließlich den Verdacht.

Neu ist diese Strategie nicht, Geheimdienste haben sie seit jeher angewandt, und auch Russland stand mit seinen Trollen bereits 2022 im Fokus. Dem internen Report von Baerbocks Behörde zufolge sei die aktuelle Aktion Teil der damaligen russischen Kampagne, die unter dem Namen „Doppelgänger“ bekannt wurde.

Im vergangenen Jahr sanktionierte die EU bereits die zwei russischen IT-Dienstleistungsfirmen Structura National Technologies und Social Design Agency wegen ihrer Beteiligung an der Lügen-Kampagne. Die neuen Erkenntnisse sorgen für Anspannung im Auswärtigen Amt – nicht nur weil in diesem Jahr Europawahlen und die Landtagswahlen in Ostdeutschland anstehen, sondern auch, weil einiges daraufhin deutet, dass die Kampagne bereits größtenteils automatisiert funktioniert. Der Verdacht: Die Desinformationskampagne wird durch künstliche Intelligenz zusätzlich befeuert.

EU: Verfahren gegen X wegen Fake-News eingeleitet

„Desinformation ist zu einem globalen Bedrohungsfaktor geworden“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts dem „Spiegel“. „Sie wird von denjenigen, die unsere Werte nicht teilen, gezielt eingesetzt, um ganze Gesellschaften zu destabilisieren – nicht nur in westlichen Demokratien, sondern überall.“ Das Auswärtige Amt beobachtet mit seinen Datenanalysten bereits seit längerem die Debatten rund um außenpolitische Themen in den sozialen Medien. Mit dem Ziel, genau so eine versuchte Einflussnahme von ausländischen Akteuren aufzudecken.

Der Fund der Experten untermauert, was bereits seit längerem zu beobachten ist: Elon Musk, der Eigentümer von X, kümmert sich nicht um die Integrität seiner Plattform. Zwar hatte er angekündigt, gegen Trolle vorzugehen – die über zehntausend Fake-Konten zeigen nun jedoch, dass sich bislang nichts verändert hat. Mehr noch: Musk hatte zuletzt die Schutzmechanismen gegen Hass und Fake-News systematisch abgebaut.

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Im Dezember leitete der Binnenmarktkommissar Thierry Breton bereits ein Verfahren gegen X ein – wegen falscher und irreführender Informationen über den Terrorangriff der Hamas auf Israel. (vd)

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