Der nächste Anlauf: Französische Nationalversammlung debattiert über Sparpolitik
Drei Premierminister haben in Frankreich wegen des Haushaltsstreits bereits ihr Amt verloren – wobei Sébastien Lecornu nach seinem Rücktritt gleich wieder eingesetzt wurde. Am Freitag beginnt in der Nationalversammlung die Debatte der letzten Chance, um einen Haushalt für 2026 bis Jahresende zu verabschieden. Ein Überblick:
Wie steht Frankreich finanziell da?
Frankreich verzeichnet derzeit eine Rekordverschuldung in Höhe von 3,4 Billionen Euro. Sowohl die Verschuldung in Höhe von 115 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) als auch das Defizit in Höhe von 5,8 Prozent im vergangenen Jahr nähern sich jeweils dem Doppelten der EU-Grenzwerte. Zwei Ratingagenturen haben die Kreditwürdigkeit Frankreich wegen der bestehenden politischen Instabilität herabgestuft.
Was schlägt die Regierung als Sparmaßnahmen vor?
Lecornu stellte Mitte Oktober seinen Haushaltsentwurf vor, mit dem das Haushaltsdefizit auf 4,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gesenkt werden soll. Um dies zu erreichen, plant die Regierung Einsparungen in Höhe von 17 Milliarden Euro und zusätzliche Einnahmen von 14 Milliarden Euro.
Demnach sollen Renten, manche Sozialleistungen und die Gehälter im öffentlichen Dienst künftig nicht mehr automatisch an die Inflation gekoppelt werden. Der Einkommensteuertarif bleibt unverändert, was dazu führt, dass etwa 200.000 Haushalte künftig Steuern zahlen müssen, die bislang davon befreit waren.
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Um Wohlhabende stärker als bisher zur Kasse zu bitten, ist eine neue Abgabe auf Holdings geplant, die als Steuernischen gelten. Eine 2025 eingeführte Sonderabgabe auf besonders hohe Einkommen – 250.000 Euro Jahreseinkommen für Einzelpersonen – wird um ein Jahr verlängert. Eine Sondersteuer auf Unternehmensgewinne wird halbiert fortgeführt. Etwa zwei Dutzend sogenannte Steuernischen sollen abgeschafft werden, etwa Vergünstigungen von Biokraftstoffen.
Die Eigenbeiträge für medizinische Leistungen werden ebenfalls erhöht. Neu besteuert werden sollen E-Zigaretten und kleine Päckchen aus Nicht-EU-Ländern – ein Versuch, die Flut online bestellter Billigkleidung einzudämmen.
Gespart werden soll in allen Ministerien, unter anderem durch den Abbau von etwa 3300 Stellen im öffentlichen Dienst. Eine Ausnahme bildet das Verteidigungsministerium.
Welche Punkte sind besonders umstritten?
Die linke Opposition fordert insbesondere eine höhere Besteuerung von Wohlhabenden, in Form der „Taxe Zucman“, der „Zucman-Steuer“. Der französische Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Zucman geht davon aus, dass der Staat bis zu 20 Milliarden Euro einnehmen könne, wenn er Vermögen über 100 Millionen Euro mit zwei Prozent besteuern würde.
Dies würde etwa 1800 Haushalte in Frankreich treffen. Andere Wirtschaftswissenschaftler schätzen die möglichen Einnahmen auf höchstens fünf Milliarden Euro. Die Regierung lehnt diese Steuer ab, weil sie negative Auswirkungen auf den Standort Frankreich fürchtet.
In der öffentlichen Meinung dürften die erhöhten Eigenbeiträge für Gesundheitsausgaben besonders heftige Reaktionen auslösen. Das rechtskonservative Lager wird seinerseits bemüht sein, die traditionell wirtschaftsfreundliche Politik fortzusetzen, die Präsident Emmanuel Macron seit Jahren verfolgt.
Was passiert, wenn es keinen Konsens gibt?
Die Nationalversammlung muss bis zum Jahresende über zwei Gesetzestexte abstimmen, den Staatshaushalt und den Haushalt der Sozialversicherung. Falls dies bis zum Jahresende nicht geschieht, kann die Regierung den Haushalt per Dekret verabschieden.
Eine andere Möglichkeit ist die Verabschiedung eines Sondergesetzes, das den Haushalt 2025 vorläufig auf das kommende Jahr überträgt. Dies war beim vergangenen Jahreswechsel der Fall gewesen.
Der damalige Premierminister Francois Bayrou nutzte Anfang 2025 dann den Verfassungsparagrafen 49.3, um den Haushalt ohne abschließende Abstimmung des Parlaments zu verabschieden. Lecornu hat den Abgeordneten zugesichert, auf dieses legale, aber als antidemokratisch kritisierte Verfahren zu verzichten. (dpa/mp)
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