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Palmer Schlauch
  • Duzfreund Rezzo Schlauch (r.) hielt lange zu Palmer – bis zum „Judenstern“-Ausfall.
  • Foto: picture alliance/dpa/Deutsche Presse-Agentur GmbH | Bernd Weißbrod

Boris Palmer: Abgang eines Querulanten

Schluss, aus, vorbei. Es war immer eine schwierige Verbindung zwischen Boris Palmer und der grünen Partei. Nun ist diese „toxische Beziehung“, wie die Berliner Grünen-Abgeordnete Antje Kapek es jetzt nannte, wohl endgültig zu Ende. Palmer erklärte seinen Austritt. Dem vorausgegangen war ein Eklat – mal wieder. Doch der aktuelle Ausfall des Querulanten war einer zu viel. Das sah nun sogar der schwäbische Ober-Rebell selbst ein. Und will sich „professionelle Hilfe“ suchen. Dazu soll es eine Auszeit geben.

„Herr Palmer ist krank und steht heute nicht für Anfragen zur Verfügung“, teilte eine Sprecherin der Tübinger Stadtverwaltung am Dienstag mit. „Ich mache heute Auszeit und beantworte aus diesem Grund keine Fragen“, antwortete er selbst der dpa auf Anfrage. Wie lange seine Auszeit gehe, wurde er noch gefragt. „Weiß ich nicht.“

Tags zuvor hatte der Tübinger Oberbürgermeister seinen Parteiaustritt verkündet – mit sofortiger Wirkung. Seine Mitgliedschaft ruhte ohnehin, wegen eines rassistischen Ausfalls gegenüber dem Ex-Fußballer Dennis Aogo, den er öffentlich mit dem „N-Wort“ bedacht hatte. Auch diesmal ging es um das gleiche Wort. Und um die Relativierung des Holocausts, der Auslöschung von Millionen Juden im Dritten Reich. Vermutlich wäre Palmer diesmal wirklich aus der Partei geflogen.

Palmer nutzt N-Wort und Judenstern-Vergleich

Der aktuelle Fall: Bei einer Uni-Veranstaltung in Frankfurt hatte Palmer das N-Wort benutzt, eine rassistische Bezeichnung für Schwarze. Seine Position: Man könne das Wort nutzen in Kontexten, in denen klar sei, dass es nicht rassistisch gemeint ist. Im Saal gab es Buhrufe, der Moderator erklärte, er könne die Veranstaltung nicht mehr anleiten bei solchen Ausfällen. Palmer quittierte das mit Augenrollen.

Draußen vor der Tür wurde er im Anschluss mit „Nazis raus“-Rufen von Studierenden bedacht. Palmer fühlte sich offenbar so in die Ecke gedrängt, dass er patzig mit der Holocaust-Keule kam. Nur weil er dieses eine Wort nutze, sei er gleich ein Nazi – „das ist nichts anderes als der Judenstern“, so der Angegriffene, der selbst jüdische Vorfahren hat.

Kaum ein Grüner wurde so zwiespältig wahrgenommen

Jahrelang war Palmer einerseits als im positiven Sinne eigenwilliger Lokalpolitiker bekannt. Der aus guten Gründen erst im Herbst das Tübinger Rathaus verteidigt hatte – auch gegen eine grüne Kandidatin.

Der aber immer und immer wieder provozierte. Teils kalkuliert, teils fast Tourette-artig unkontrolliert. Gegen Alte, gegen Migrierende, immer wieder gegen einen „woken Zeitgeist“, wie ihm auch Fans aus dem rechten Lager immer wieder bescheinigen.

Selbst Kumpel Rezzo Schlauch platzte der Kragen

Bei dem unsäglichen Judenstern-Vergleich platzte selbst Rezzo Schlauch der Kragen. Beim Parteiausschlussverfahren hatte der Anwalt und Ex-Grüne Palmer noch offiziell vertreten. Nun sagte er sich von ihm los. Parteichef Omid Nouripour zollte Palmer Respekt für seine Entscheidung – von Bedauern kein Wort. Langzeitbegleiter Cem Özdemir äußerte sich gar nicht. Etliche Grüne schienen schlicht erleichtert: „Endlich!“, schrieb Antje Kapek.

Der grüne Landesfürst Winfried Kretschmann indes verurteilte zwar den Vorfall, bedauerte das Ganze aber auch: „Persönlich tut es mir leid um diesen klugen Kopf, der unsere Partei über eine sehr lange Zeit streitbar bereichert hat.“ Und damit sprach er wohl auch einigen aus der Seele, die Palmers zupackende Art stets geschätzt hatten.

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Vermutlich von seinem Vater, dem parteilosen Lokalpolitiker und sogenannten „Remstal-Rebellen“ Helmut Palmer hatte er seine streitbare Art gelernt – aber auch die Fähigkeit fernab von vorgegebenen Linien zu denken. Was der Stadt Tübingen in vielerlei Hinsicht zugutekam, zuletzt während der Corona-Pandemie.

Das Palmer-Dilemma zeigte sich aber auch hier: „Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären.“ Mit diesem gegenüber alten Menschen verächtlichen Satz hatte er damals schockiert. Die „professionelle Hilfe“ soll ihm in seiner Auszeit offenbar helfen, nicht mehr jeden Unfug gleich rauszuhauen, der ihm im Kopf herumschwirrt. Die Beziehung zu den Grünen dürfte trotzdem unwiderruflich vorbei sein.

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