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Butscha
  • Überlebt! Ein Frau in Butscha küsst nach der Befreiung durch ukrainische Truppen vor Freude einen Mann. Die Bundesregierung reagiert auf das Massaker bisher nur zurückhaltend.
  • Foto: picture alliance/dpa/AP | Vadim Ghirda

Auf das Massaker von Butscha folgt – erst einmal nichts

Das Massaker von Butscha hält die Welt in Atem. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat zwar weitere Sanktionen angekündigt. Doch das von vielen geforderte Energie-Embargo wird es wohl trotzdem nicht geben. Alt-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) muss sich derweil vom ukrainischen Präsidenten vorführen lassen.

In Butscha selbst, einem Vorort der ukrainischen Hauptstadt Kiew, waren Menschen am Montag noch immer damit beschäftigt, Leichen auf den Straßen zu bergen und zu beerdigen. Nach verschiedenen Augenzeugenberichten war es während der russischen Besatzung verboten, die Opfer zu bestatten. Wer es versuchte, wurde mit Warnschüssen vertrieben. Als ukrainische Truppen Butcha nun zurückerobert hatten, hatten sie auf den Straßen viele Tote gefunden. Offenkundig Zivilisten – darunter Menschen mit gefesselten Händen und welche, die vom Fahrrad geschossen worden waren. Auch in anderen Städten nordwestlich von Kiew sind zahlreiche Leichen auf den Straßen entdeckt worden.

Massaker von Butscha: EU bietet Hilfe bei Aufklärung an

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte nach einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodomyr Selenskyj erklärt, die EU-Justizbehörde Eurojust und die Strafverfolgungsbehörde Europol würden bei der Aufklärung und Dokumentation des Massakers helfen. Sie soll eine bereits vereinbarte internationale Ermittlergruppe unterstützen.

Selenksyj, der bereits am Sonntag von einem „Völkermord“ gesprochen hatte, besuchte am Montag Butscha. Seine Verbitterung bekam auch Angela Merkel (CDU) zu spüren. Selenskyj forderte die Alt-Kanzlerin und den ehemaligen französischen Präsidenten Nikolas Sarkozy auf, nach Butscha zu kommen, um zu sehen, wozu „ihre Politik der Zugeständnisse gegenüber Russland geführt hat“.

Selenskyj: Heftige Kritik an Alt-Kanzlerin Angela Merkel

Damit meinte er vor allem einen möglichen NATO-Beitritt seines Landes, den Merkel und Hollande 2008 verhindert hatten. Merkel ließ eine Sprecherin eine Erklärung verbreiten, in dem sie den Krieg verurteilte. Gleichzeitig ließ sie aber klarmachen, sie stehe „zu ihren Entscheidungen im Zusammenhang mit dem NATO-Gipfel 2008 in Bukarest“. Auf die Aufforderung nach Butscha zu kommen, ging sie nicht ein.


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Auch Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki warf Merkel eine Politik vor, die dazu geführt habe, „dass Russland heute eine Stärke hat, die auf dem Monopol des Verkaufs von Rohstoffen basiert“. Die Bundesregierung sei auch heute „das Haupthindernis für sehr starke Sanktionen“, sagte Morawiecki.

Ampel wehrt sich weiter gegen Energie-Embargo

Das könnte womöglich auch so bleiben. Denn zu einem umfassenden Energieembargo gegen Russland, wie es viele fordern, scheint die Ampel-Koalition nach wie vor nicht bereit. Auf die Frage, ob ein sofortiges Embargo ausgeschlossen sei, egal was Putin tue, antwortete Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montag: „Wir arbeiten ja an der Unabhängigkeit von russischem Öl und von Kohle und Gas.“ Es gebe jeden Tag Schritte in Richtung eines de-facto-Embargo.

Deutlicher wurde Finanzminister Christian Lindner (FDP). Er schloss ein Embargo zumindest gegen russisches Erdgas kategorisch aus. Es müsse zwar scharfe Sanktionen geben, aber Gas sei kurzfristig nicht ersetzbar, so Lindner. „Wir würden uns mehr schaden als ihnen.“

„Nichts ist vom Tisch“: EU kann sich Boykott vorstellen

Interessant: Offenbar steht die Haltung der Ampel-Koalition im Widerspruch zu der der EU-Kommission. „Was die Europäische Kommission betrifft, ist nichts vom Tisch“, erklärte Vizepräsidenten Valdis Dombrovskis. Die Kommission prüfe Szenarien für den Fall, dass russische Gaslieferungen ausgesetzt würden – entweder wegen eines Embargos oder wegen eines einseitigen russischen Lieferstopps, sagte er. „Es gibt die Schlussfolgerung, dass es nicht ohne Probleme, aber möglich wäre, in solchen Situationen zurechtzukommen.“

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Zu einer konkreten Aktion gegen Russland rang sich die Bundesregierung dann am Montag doch noch durch: „Gazprom Germania“, bisher Tochter des russischen Gas-Riesen Gazprom, geht mitsamt der Erdgasspeicher in die Hände der Bundesnetzagentur über. Das habe Habeck per rechtlicher Anordnung verfügt, hieß es in einer Mitteilung.

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