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  • Reichsbürger-Demo im November 2020 in Potsdam
  • Foto: picture alliance/dpa

Anstieg um 35 Prozent: Diese Waffen horten Reichsbürger und andere Rechtsextremisten

Berlin –

Der Mord am CDU-Regierungspräsidenten von Kassel, Walter Lübcke, der Angriff auf die Synagoge in Halle, der Anschlag auf zwei Shishabars in Hanau – Rechtsextreme Straf- und Gewalttaten haben laut Verfassungsschutzbericht in den letzten beiden Jahren zugenommen. Die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag zeigt weitere Details: Nach offiziellen Erkenntnissen ist die Zahl der bewaffneten Rechtsextremisten um knapp 35 Prozent gestiegen.

„Faustfeuerwaffen“, „Langwaffen“, „Kriegswaffen/wesentliche Teile“, „Spreng- und Brandvorrichtungen/Brandlegungsmittel“ – Allein die Kategorien der Liste lesen sich eher nach Wildwest als nach Bundesrepublik. Laut Bundes-Verfassungsschutz (BfV) verfügten zum Stichtag 28. Dezember 2020 genau 1203 „tatsächliche oder mutmaßliche Rechtsextremisten“ über eine Waffenerlaubnis – ein Anstieg um mehr als ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr.

Für die gesonderte Kategorie „Reichsbürger“ lägen noch keine Erkenntnisse für das Jahr 2020 vor, Ende 2019 aber waren es 528 Personen, die eine „waffenrechtliche Erlaubnis“ besessen hätten. Die sogenannten „Reichsbürger“ erkennen den deutschen Staat und seine Gesetze nicht an, weigern sich etwa, Steuern oder Bußgelder zu zahlen, weil sie sich in einem Unrechtsstaat wähnen. Viele neigen zu rechtsextremen und antisemitischen Haltungen.

Martina Renner (Linke): „Steigende Bedrohung“

Die Anfrage gestellt hatte Martina Renner (Linke). „Der Anstieg belegt die steigende Bedrohung, die von Neonazis und Rassisten ausgeht“, sagte die Innenpolitikerin. „Erwartungsgemäß hat sich die Einbindung des Geheimdienstes nicht als wirkungsvolle Maßnahme gegen die Bewaffnung der rechten Szene erwiesen“, fügte die Bundestagsabgeordnete hinzu, die selbst mehrfach Drohungen von Rechtsextremen erhalten hat.

Insgesamt benennt das Papier eine ungefähre Zahl von 32.000 Personen mit „rechtsextremem Potenzial“. Aus Sicht der Sicherheitsbehörden würden nun mehr von ihnen als bewaffnet aufgeführt, unter anderem weil genauer hingeschaut würde und wegen der jüngsten Novelle des Waffenrechts, seit der die Kommunikation zwischen Verfassungsschutz und Waffenbehörden leichter sei und Waffenbesitzer leichter als Extremisten identifiziert werden könnten.

Mathias Middelberg (CDU): Regelabfrage der Waffenbehörden wichtig

Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Mathias Middelberg, nannte der MOPO noch einen weiteren Grund: Die Zahl der Rechtsextremisten sei gestiegen, namentlich durch die Einstufung des AfD-„Flügels“ als Verdachtsfall. Außerdem sehe er, anders als Renner, die von der Koalition Ende 2019 beschlossene Regelabfrage der Waffenbehörden beim Verfassungsschutz als Erfolg: „Jetzt zeigt sich, wie wichtig es war, sie einzuführen.“ Sie erleichtere es den Behörden, Extremisten, die eine Waffenerlaubnis beantragen, als solche zu erkennen.

Einig waren sich die beiden Innenpolitiker*innen aber doch in einer Frage: „Klar ist: Jede Waffe in der Hand eines Extremisten ist eine zu viel“, so Middelberg. Und Renner sagte zur MOPO: „Jede Waffe in den Händen von Neonazis ist eine mögliche Tatwaffe. Das belegen die zahlreichen Morde und Anschläge eindrücklich.“ Das Problem: Seit 2016 bemühen sich die Behörden, Angehörigen der Szene die Waffenerlaubnis zu entziehen. In 790 Fällen sei das seitdem schon gelungen, viele Verfahren zögen sich aber juristisch in die Länge, hieß es in der Antwort der Bundesregierung.

Konstantin Kuhle (FDP): Es fallen zu viele durchs Raster

Auch der innenpolitische Sprecher der FDP, Konstantin Kuhle, hält die Regelabfrage beim Verfassungsschutz für ein unbrauchbares Instrument: „Besser wäre es, die Verfassungsschutzbehörden würden die Waffenbehörde proaktiv über problematische Fälle informieren“, sagte er zur MOPO. So würden weniger Rechtsextremisten durchs Raster fallen.

Irene Mihalic (Grüne): „Vermutlich nur die Spitze des Eisberges“

„Was wir sehen ist vermutlich nur die Spitze des Eisberges“, so die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Irene Mihalic, zur MOPO. Neben der aufgezählten legalen Bewaffnung komme ja noch die illegale hinzu. „All das stellt eine enorme Gefahr dar. Die konsequente Entwaffnung von Verfassungsfeinden muss angesichts der steigenden Bedrohung von rechts nun absolute Priorität haben.“

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Angesichts der teils sehr eindrücklichen Details in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Linken waren sich die antwortenden Fraktionen jedenfalls einig, dass etwas getan werden muss. So wurde etwa das Waffenarsenal des Halle-Attentäters en détail aufgezählt: zwei vollautomatische Maschinenpistolen, zwei Schrotflinten, eine Einzelladerpistole, zwei weitere Handfeuerwaffen, eine Langwaffe, ein Schwert, zwei Messer und eine Grabenkeule. (km)

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