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Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel
  • Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim großen TV-Interview im Berliner Ensemble.
  • Foto: dpa

Angela Merkel: „Putin will die EU zerstören“

Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte sich am Dienstagabend erstmals seit dem Ende ihrer Kanzlerschaft den Fragen des Journalisten und Autors Alexander Osang im Berliner Ensemble. Sie sprach über ihren Nachfolger Olaf Scholz (SPD), ihr neues Leben an der Ostsee, den russischen Präsidenten Wladimir Putin – und verurteilte dessen Angriff auf die Ukraine aufs Schärfste.

Nach eigenen Worten hat die 67-Jährige „volles Vertrauen“ in die neue Bundesregierung und ihren Amtsnachfolger Olaf Scholz (SPD). Der Regierungsübergang sei sehr gut gelaufen, sagt Merkel. Es seien Menschen am Werk, die keine „Newcomer“ seien und die Gegebenheiten kennen würden. Merkel war 16 Jahre lang Kanzlerin. Es sei für sie ganz klar, dass es der richtige Zeitpunkt gewesen sei, aufzuhören.

Angela Merkel: Wanderungen an der Ostsee, Bücher und Podcasts

Auf die Frage, wie es ihr gehe, sagte sie, ihr persönlich gehe es sehr gut. Sie komme mit ihrem neuen Lebensabschnitt sehr gut zurecht. Sie erzählte von langen Wanderungen im Winter an der Ostsee, sie habe viel gelesen und Podcasts gehört. Ihr sei nicht langweilig geworden, sie habe die Tage richtig gut rumbekommen. Früher habe sie nur „Termine, Termine, Termine“ gehabt – 16 Jahre lang. 

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„Ich bin Bundeskanzlerin a. D.“, sagte Merkel. Sie sei keine „ganz normale Bürgerin“. Sie müsse noch vorsichtiger sein, zu aktuellen Dingen etwas zu sagen – ob nun das 9-Euro-Ticket gut sei oder nicht. Es sei nicht ihre Aufgabe, Ratschläge von der Seitenlinie zu geben. Merkel erzählte, sie bekomme viele Einladungen, wolle aber nicht nur Termine abarbeiten. Wenn sie lese, sie mache nur noch „Wohlfühltermine“, dann sage sie: „ja.“

Merkel über Putin: „Ihr wisst, dass er Europa zerstören will“

Die „Zäsur“ des russischen Kriegs gegen die Ukraine beschäftige auch sie sehr. Sie sei manchmal bedrückt.„Was ich mich natürlich gefragt habe ist: Was hat man vielleicht versäumt?“, so Merkel. „Hätte man noch mehr tun können, um eine solche Tragik zu verhindern?“ Vorwürfe von Naivität im Umgang mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin wies Merkel zurück. „Putins Hass, Putins – ja, man muss sagen – Feindschaft geht gegen das westliche demokratische Modell“. Sie sei „nicht blauäugig oder so“ gewesen, sondern habe gewarnt: „Ihr wisst, dass er Europa zerstören will. Er will die Europäische Union zerstören, weil er sie als Vorstufe zur Nato sieht.“ Sie erklärte, sich nicht entschuldigen zu wollen. „Diplomatie ist ja nicht, wenn sie nicht gelingt, deshalb falsch gewesen. Also ich sehe nicht, dass ich da jetzt sagen müsste: Das war falsch, und werde deshalb auch mich nicht entschuldigen.“

„Diplomatie ist ja nicht, wenn sie nicht gelingt, deshalb falsch gewesen“

Merkel räumte zwar ein, dass man der Annexion der Krim durch Russland 2014 härter hätte begegnen können. Man könne aber auch nicht sagen, dass damals nichts gemacht worden sei. Sie verwies auf den Ausschluss Russlands aus der Gruppe führender Industrienationen (G8) und den Beschluss der Nato, dass jedes Land zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben soll. Auch dass sie sich 2008 gegen eine Nato-Osterweiterung um die Ukraine und Georgien gewandt habe, verteidigte Merkel. Hätte die Nato den beiden Ländern damals eine Beitrittsperspektive gegeben, hätte der russische Präsident Wladimir Putin schon damals einen „Riesenschaden in der Ukraine anrichten können“.

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Auf die Frage, ob sie mit Putin telefonieren würde, sagte sie: „Ich habe nicht den Eindruck, dass das im Augenblick etwas nützt.“ Es gebe „aus meiner Sicht wenig zu besprechen“. Merkel verwies außerdem darauf, dass sie sich nur auf Bitten der Bundesregierung einschalten würde. „Mein Amtsverständnis ist so, dass ich nichts tun werde, um das mich nicht die deutsche Regierung bitten würde.“ Merkels Vorgänger als Bundeskanzler, Gerhard Schröder (SPD), war nach Kriegsbeginn nach Moskau gereist, um mit Putin zu sprechen – ohne die Bundesregierung zu informieren.

Merkel plädiert für Verstärkung der militärischen Abschreckung gegenüber Russland

Sie plädierte für eine Verstärkung der militärischen Abschreckung gegenüber Russland. „Das ist die einzige Sprache, die Putin versteht“. Verantwortung für ausgebliebene Investitionen in die Bundeswehr wies sie zurück – und indirekt dem früheren Koalitionspartner SPD zu. „Ich bin jetzt heilfroh, dass wir nun uns endlich auch entscheiden, nachdem die ganze Welt bewaffnete Drohnen hat, dass wir auch welche kaufen. Und es ist auch nicht an mir gescheitert, dass bestimmte andere Dinge nicht stattfinden konnten“, sagte Merkel. Und: „Es war ein sehr zähes Ringen, überhaupt in die militärische Abschreckung zu investieren.“

Merkel: Habe mich über US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 geärgert

In Sachen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 habe sich sehr darüber geärgert, dass die USA unter Präsident Joe Biden Sanktionen gegen Unternehmen verhängt hätten, die bei Nord Stream 2 aktiv waren. Das mache man mit dem Iran, aber nicht mit einem Verbündeten, machte sie deutlich. Eine im vergangenen Sommer erzielte Vereinbarung mit den USA sei dann ein „Quantensprung“ gewesen.

Im vergangenen Juli hatten die USA und Deutschland einen langen Streit über die deutsch-russische Pipeline Nord Stream 2 beigelegt. Die USA hatten erklärt, auf weitere Sanktionen zu verzichten. In der Erklärung wurde Russland zudem davor gewarnt, Energie als politische «Waffe» einzusetzen. In diesem Falle stelle man die Pipeline zur Disposition.

Merkel machte mit Blick auf den russischen Angriff auf die Ukraine deutlich, dies sei nun passiert. Die neue Bundesregierung hatte die Zertifizierung von Nord Stream 2 wegen der Invasion auf Eis gelegt. (idv/dpa)

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