Analyse zum Meuthen-Rückzug: Noch ’n Hauch brauner
Wenn man sich die Entwicklung der AfD als Linie vorstellt, dann war es im Grunde nur der nächste logische Schritt. Gestern kündigte Parteichef Jörg Meuthen an, im Dezember nicht mehr für den Vorsitz anzutreten. Das Ende der Bürgerlichkeit?
Nach Bernd Lucke und Frauke Petry wäre Meuthen der dritte einigermaßen gemäßigte Partei-Obere, der die Segel streicht. Jedesmal rückte die Partei einen weiteren Schritt nach rechts. Einziger Unterschied: Diesmal scheint niemand von den „Gemäßigten“ mehr übrig zu sein. Ob nun Alice Weidel, Tino Chrupalla oder doch direkt Björn Höcke das Machtvakuum füllt – die ultrarechten Kräfte scheinen den internen Machtkampf für sich entschieden zu haben.
Beim Wahlkampf noch Burgfrieden – dann direkt offenes Visier
Für den Wahlkampf hatte man sich noch für eine Art „Burgfrieden“ entschieden, wollte nach außen Geschlossenheit beweisen. Damit war schon einen Tag nach der Bundestagswahl Schluss. Nicht nur mit Worten, auch mit eisigen Blicken machten die Partei-Granden Meuthen, Weidel und Chrupalla bei der gemeinsamen Bundespressekonferenz klar: Da ist nix mehr zu kitten.

Der Grundkonflikt: Meuthen attackierte die beiden Spitzenkandidaten offen für ihren in seinen Augen schwachen Wahlkampf. Schwach, weil er „sehr stark die eigene Blase bedient“ habe. Und mittlerweile fast nur noch auf den Osten ausgerichtet sei. In Sachsen und Thüringen schnitt die AfD stark ab – im Westen blieb sie überall unter zehn Prozent. Bundesweit sackte man auf 10,3 Prozent. Sich das „in Altparteienmanier“ schönzureden, lehne er ab, so Meuthen.
Kein gutes Wort über Meuthen von Weidel und Chrupalla
Die Attackierten konterten direkt: Sie wolle sich das Wahlergebnis „nicht schlecht reden lassen“, so Weidel. Hernach bedankte sie sich ausdrücklich bei Chrupalla für den Wahlkampf, nicht aber bei Meuthen. Auch Chrupalla zeigte sich „stolz auf die Partei“, teilte ausdrücklich nicht Meuthens Analyse, der in Anspielung an die italienische „Lega Nord“ von einer „Lega Ost“ sprach, einer Regionalpartei, sollte der Kurs fortgeführt werden.
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Auch auf Nachfrage anwesender Journalist:innen gab es kein positives Wort über Meuthen, Weidel ließ sich zu der Bezeichnung „Charakterkopf“ hinreißen, sonst nichts. Ab diesem Tag war klar: Spätestens bei der im Dezember anstehenden Neuwahl des Vorstandes wird es krachen. Dem kam Meuthen nun gestern zuvor. „Das ist eine persönliche Entscheidung von Jörg Meuthen“, kommentierte Chrupalla.
„Flügel“ um Björn Höcke wird immer einflussreicher
Der und Weidel könnten nun im Dezember als Spitzenduo auch für den Vorsitz kandidieren. Beide werden vom offiziell aufgelösten „Flügel“ um Björn Höcke unterstützt, bei Weidel könnte diese Unterstützung aber noch ins Wanken geraten. Die als rechtsextrem eingestufte Gruppe um Höcke hat die Gemäßigten Stück für Stück aus der Partei getrieben, stellt die größte und einflussreichste Fraktion.
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Zu beobachten war dies etwa auf dem letzten Parteitag im April, als der „Dexit“ und physische Grenzzäune ins Programm aufgenommen wurden und gegen eine „Corona-Diktatur“ gewettert wurde. Ob Höcke nun selbst nach der Macht greift? Die nächsten Wochen werden es zeigen.
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