Ein Gewinner und zwei Verlierer: Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner (v.l.)
  • Ein Gewinner und zwei Verlierer: Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner (v.l.)
  • Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Analyse des AKW-Kompromisses: Ein Gewinner, zwei Verlierer. Und die Bevölkerung?

Tagelang fragten sich politische Beobachter:innen, wo der Kanzler wohl sei. Grüne und Liberale beharkten und verkeilten sich beim Atom-Thema derart, dass schon vom Zusammenbruch der Ampel die Rede war. Dann das Kanzler-Basta: Alle drei AKW bleiben – wohl bis April 2023. Und wer hat nun gewonnen? Lindner, Scholz, Habeck? Die Bevölkerung?

Am Tag nach dem Kanzler-Basta zeigten sich beide Streithähne zufrieden. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verkündete, mit dem Kompromiss könne man „arbeiten“. Finanzminister Christian Lindner (FDP) schien auch nicht unzufrieden. Und Olaf Scholz (SPD) dürfte auch zufrieden mit sich gewesen sein. Mit der Anwendung der Kanzler‘schen Richtlinienkompetenz hatte er vermeintlich auf den Tisch gehauen. Nur Gewinner also? Klares Nein!

Olaf Scholz:

Die Richtlinienkompetenz ist ein ziemlich scharfes Schwert in unserer – vor allem aus historischen Gründen – sehr auf Kompromisse und Ausgleich ausgelegten Demokratie. Bei Konflikten wie dem zwischen Ministerien kann der Kanzler so die Entscheidungsgewalt an sich reißen. In seiner Kanzlerschaft war dies nun das erste Mal.

„Wer bei mir Führung bestellt, der kriegt sie auch“ – in verschiedenen Varianten einer von Scholz‘ Lieblingssätzen. Scholz, der gerne den Führungsstil von Merkel kopieren würde, hat er nun Stärke gezeigt, oder eher Schwäche, wie die Opposition von CDU bis Linke sagt? Eher Letzteres. Dass der Streit nicht hinter den Kulissen gelöst werden konnte, zeugt nicht gerade von Führungsstärke.

Robert Habeck:

Die Grünen-Führung zeigte sich ganz zufrieden mit dem Kompromiss. Aber die Basis, namentlich die Grüne Jugend, fühlte sich überrumpelt, hatte die Partei doch gerade erst beschlossen, dass nur die beiden süddeutschen AKW Isar 2 und Neckarwestheim weiterlaufen. Nun aber der Kanzler-Wunsch: Auch das niedersächsische Emden läuft wohl bis Mitte April, obwohl im Norden genug Windkraft vorhanden ist.

Aber eben auch definitiv nur bis April. Stand heute war es das dann endgültig mit der Atomkraft in Deutschland. Habeck & Co. sollten sich also zufrieden zeigen. Sie haben den Streit faktisch gewonnen.

Christian Lindner:

Der Finanzminister ist (vorerst) der klare Verlierer des Kompromisses. Er hat hoch gepokert und verloren: Dreieinhalb Monate längere Laufzeit? Das ist kein Sieg. Bei den AKW-Befürwortern, die Lindner mit seinen Forderungen adressieren wollte, dürfte er damit nicht punkten.

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Aber: Der Kompromiss könnte doch nur vorläufig sein. Und die Regierung könnte – etwa im Januar, Februar – feststellen: Auch im nächsten Winter brauchen wir die Kraftwerke. Dann könnte Lindner durch die Hintertür doch noch zum Gewinner werden. Allerdings hatten die Grünen zuletzt den Einkauf neuer Brennstäbe (der dann nötig würde) als „rote Linie“ bezeichnet.

Die Bevölkerung:

Die hat – vorerst zumindest – eher gewonnen. Für den Winter ist die Versorgungssicherheit nun eher gegeben. Problem: Was soll sich bis April grundsätzlich in Energiefragen geändert haben? Entweder sind wir dann erneut Blackout-gefährdet. Oder der Ausstieg aus der Atomkraft könnte insgesamt gefährdet sein. Das wäre langfristig ebenfalls problematisch. Grünen-Ikone Jürgen Trittin jedenfalls ist sich sicher: „Wer glaubt, dass Lindners Kampagne ein Ende hat, der irrt.“

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