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Schwer bewaffnete Taliban-Kämpfer patrouillieren zur Feier ihrer Machtübernahme durch Kabul.
  • Schwer bewaffnete Taliban-Kämpfer patrouillieren zur Feier ihrer Machtübernahme durch Kabul.
  • Foto: (c) dpa

Afghanistan-Krise: Schuld? Sind die anderen

Noch immer herrscht Chaos in Kabul: Tausende Menschen versuchen das Land zu verlassen, doch viele kommen gar nicht zum Flughafen durch. Am Freitag wurde ein deutscher Zivilist auf dem Weg zum Flughafen angeschossen. Als „Totalversagen“ und „das größte außenpolitische Desaster seit Bestehen der Bundesrepublik“ bezeichnet die Opposition die katastrophale Lage. Doch die Beteiligten schieben sich gegenseitig die Schuld zu.

Als unwahrscheinlich – so beurteilte der Bundesnachrichtendienst (BND) die mögliche militärische Einnahme Kabuls durch die Taliban noch bei einer Krisenstabssitzung am Freitag vergangener Woche. Bis zum 11. September bliebe noch Zeit, dachte man. Nur zwei Tage später hatten die Taliban die Macht übernommen. Viel zu spät startete die Bundeswehr die Evakuierungsaktion für Deutsche und afghanische Ortskräfte.

BND-Chef: Auch CIA ahnte nichts

Dass die Bundesregierung und Nachrichtendienste Fehler gemacht haben, räumten sie längst ein. Am Donnerstag musste sich der BND-Chef Bruno Kahl vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium rechtfertigen, wie es zu der massiven Fehleinschätzung kommen konnte. Er sieht den unerwartet schnellen Rückzug der afghanischen Armee als einen der „Hauptgründe für den rasanten Siegeszug der Taliban“ – vielleicht, so zitiert die „Zeit“ aus den Ausschusssitzungen, sogar zur Überraschung der Taliban selbst. Auch die CIA hätte die Ereignisse nicht vorhergesehen.

Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), bei einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses des Bundestags am Mittwoch. (c) dpa
Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), bei einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses des Bundestags am Mittwoch.
Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), bei einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses des Bundestags am Mittwoch

Außenminister Heiko Maas (SPD) fordert Konsequenzen: „Die Entscheidungen, die aufgrund dieser fehlerhaften Berichte getroffen wurden, sind nach bestem Wissen und Gewissen gefallen“, sagte er dem „Spiegel“. „Aber sie waren im Ergebnis falsch, mit katastrophalen Folgen.“ Das könne nicht ohne Konsequenzen für die Arbeitsweise der Dienste bleiben.

Außenminister Maas weicht Rücktrittsforderungen aus

Damit schiebt er einen Teil der Schuld ab – Maas selbst steht schon seit Tagen im Zentrum der Kritik, denn sein Ministerium ist für die Lageeinschätzung in Afghanistan verantwortlich. Laut dem „Spiegel“ hat der BND die Bundesregierung schon seit Jahren vor dem Zusammenbruch des afghanischen Staates gewarnt.

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Konstantin von Notz (Grüne) sieht das Problem auf Seiten der Bundesregierung. Die Nachrichtendienste hätten geliefert, die Bewertung habe aber auf Seiten der Bundesregierung nicht geklappt, sagte er nach der vertraulichen Untersuchungssitzung am Donnerstag. Rücktrittsforderungen weicht Maas aus.  

Außenminister Heiko Maas (SPD) (c) dpa
Außenminister Heiko Maas (SPD)
Außenminister Heiko Maas (SPD)

Auch für Innenminister Horst Seehofer (CSU) hagelt es Kritik: Aus dem Außenministerium heißt es, das Innenministerium habe die Visa-Abfertigung für Ortskräfte verzögert. Auch dass die geplante Evakuierung von bis zu 300 Ortskräften im Juni scheiterte, sei auf Seehofer zurückzuführen, heißt es aus der Opposition. Seehofer selbst verteidigt sich: Federführend für das Visaverfahren sei das Auswärtige Amt. Er wolle nicht mit dem Finger auf andere zeigen, doch „wir lassen uns nicht umgekehrt eine bürokratische oder Papierdiskussion anhängen, die gar nicht auf uns zurückzuführen ist.“

Untersuchungsausschuss nach Wahl scheint wahrscheinlich

„Insgesamt gibt die Bundesregierung kein starkes Bild in dieser Situation ab“, findet CSU-Chef Markus Söder. „Es reicht nicht, nur zu sagen: „Sorry, wir haben uns verschätzt.““ Von Rücktrittsforderungen hält er nichts, Maas will er trotzdem nicht in der nächsten Regierung sehen. Er ginge davon aus, dass der Großteil der Betroffenen und in der Diskussion stehenden Personen nach der Wahl nicht mehr für neue Amtsaufgaben zur Verfügung stünden, sagte er. „Jedenfalls würden wir auch darauf drängen, dass das dann so ist. Insbesondere was den Außenminister betrifft.“

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In der Tat wollen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Seehofer nach der Wahl ohnehin zurückziehen. Maas und auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) – der vorgeworfen wird, sie habe die Bundeswehr für die Evakuierung zu spät mobilisiert – haben das aber nicht angekündigt. So wird die Schuldfrage sicher den Wahlkampf begleiten. Für die Zeit danach zeichnet sich ein Untersuchungsausschuss ab.

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