„Ungeheure Eskalation“ droht: Was plant Putin an diesem Montag?
Mehr als zwei Monate lang führt Russlands Präsident Wladimir Putin schon Krieg gegen die Ukraine. Dabei war, so wird kolportiert, eigentlich für den 9. Mai die große Siegesfeier in Moskau geplant. Stattdessen könnte an diesem Tag der Krieg eine neue Wendung nehmen. Warum ausgerechnet an diesem Datum?
Die Anzeichen verdichten sich, dass kommenden Montag ein neues Kapitel dieses Kriegs geschrieben wird: „Man muss befürchten, dass Wladimir Putin am 9. Mai die Generalmobilmachung bekannt gibt“, sagte CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter am Mittwoch der „Augsburger Allgemeinen“. Diese Einschätzung wird von vielen Beobachtern geteilt.
Das bedeutet eine Generalmobilmachung
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Mehr als zwei Monate lang führt Russlands Präsident Wladimir Putin schon Krieg gegen die Ukraine. Dabei war, so wird kolportiert, eigentlich für den 9. Mai die große Siegesfeier in Moskau geplant. Stattdessen könnte an diesem Tag der Krieg eine neue Wendung nehmen. Warum ausgerechnet an diesem Datum?
Die Anzeichen verdichten sich, dass kommenden Montag ein neues Kapitel dieses Kriegs geschrieben wird: „Man muss befürchten, dass Wladimir Putin am 9. Mai die Generalmobilmachung bekannt gibt“, sagte CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter am Mittwoch der „Augsburger Allgemeinen“. Diese Einschätzung wird von vielen Beobachtern geteilt.
Das bedeutet eine Generalmobilmachung
Bei einer Generalmobilmachung könnten alle verfügbaren Kräfte in Russland für den Krieg akquiriert werden. Millionen Soldaten und Reservisten würden eingezogen oder von etwaigen anderen Einsätzen abberufen und in die Ukraine geschickt. Zusätzlich könnte Putin auch Zivilisten in den Kriegsdienst beordern – knapp 47 Millionen Russen sind offiziellen Angaben zufolge in wehrfähigem Alter und Zustand. Auch die Wirtschaft dürfte bei einer Generalmobilmachung umgestellt werden, sodass vermehrt Rüstungs- und Kriegsgüter produziert werden. Zudem könnte der Staat dann Gebäude, Fahrzeuge und andere Gegenstände enteignen und zur Landesverteidigung einsetzen, wie aus der russischen Gesetzgebung hervorgeht.
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„Wenn es dazu käme, wäre dies eine ungeheure Eskalation“, sagte Kiesewetter. Bislang befindet sich Russland offiziell nicht im Krieg, sondern führt in der Ukraine eine „militärische Spezialoperation“ durch.
Der 9. Mai „war und bleibt der heiligste Feiertag für alle Russen“
Warum aber sollte Putin diesen Schritt unternehmen? Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass Russland die Soldaten ausgehen. Übereinstimmenden Angaben zufolge hat der Kremlchefin der Ukraine schon mehrere Tausend Kämpfer verloren – und macht derzeit mit seiner Armee auch kaum noch Fortschritte. Bei einer Generalmobilmachung könnte er das Aufgebot innerhalb kürzester Zeit deutlich verstärken.
Eine weitere Erklärung könnte die Bedeutung des Datums sein. Der 9. Mai „war und bleibt der heiligste Feiertag für alle Russen“, betonte Kremlsprecher Dmitri Peskow erst am Dienstag der Agentur Interfax zufolge. An diesem Tag feiert Russland jedes Jahr mit einer großen Militärparade in Moskau den Untergang von Hitler-Deutschland. „Der Sieg über die Nazis in Deutschland im Zweiten Weltkrieg, das ist für Russinnen und Russen, für die kollektive Erinnerungskultur sehr wichtig“, erklärte die Hamburger Friedensforscherin Regina Heller jüngst im MOPO-Interview. Der 9. Mai wird daher auch „Tag des Sieges“ genannt.
Gerüchten zufolge wollte Putin dieses Jahr einen weiteren Sieg feiern – über die angeblichen Nazis in der Ukraine. Schon seit Wochen wird dafür in Moskau geprobt, Putin will eine Rede halten. Zudem soll wieder eine Reihe neuer Waffen präsentiert werden. Medienberichten zufolge plant der Kreml zudem, ukrainische Kriegsgefangene vorzuführen. Da sich ein Ende des Krieges in der Ukraine bis kommenden Montag nicht abzeichnet, werde ein anderer, gewichtiger Inhalt gebraucht, den der Kremlchef verkünden kann, mutmaßen Experten.
„Das ist die Drohung, die heute vom 9. Mai ausgeht: noch einmal Berlin zu erobern“
Gleichzeitig könnte es nicht bei der Ausrufung der Generalmobilmachung bleiben: „In Russland zirkuliert die obszöne Darstellung eines Sowjetmenschen, der einen Nazi vergewaltigt. Das ist die Drohung, die heute vom 9. Mai ausgeht: noch einmal Berlin zu erobern“, erklärte der Moskauer Soziologen Greg Yudin gegenüber der „Zeit“. Weiter sagte er: „Die Erinnerung an den Kalten Krieg durchdringt heute, gegen alle historischen Tatsachen, die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg. Mit der Folge, dass Putins Russland den gesamten Westen als Gegner besiegen will: die USA, die Franzosen, die Briten. In der herrschenden russischen Großmachtsfantasie waren diese Staaten unsere Gegner im Zweiten Weltkrieg und sind es nun wieder“.
Ähnlich hatte sich zuletzt der russische General Rustam Minnekajew geäußert: „Es scheint, als würden wir gerade mit der ganzen Welt kämpfen“, sagte er laut Interfax. Es sei wie damals so wie es im „Großen Vaterländischen Krieg“, also dem Zweiten Weltkrieg, „als ganz Europa und die ganze Welt gegen uns waren.“
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Will Putin also am 9. Mai womöglich den Krieg gegen den kompletten Westen verkünden? Als besonders realistisch gilt das nicht – aber eben auch nicht als gänzlich unrealistisch. Zumindest die Pläne für eine etwaige Generalmobilmachung hat Moskau bislang abgestritten. „Das ist nicht wahr. Das ist Unsinn“, sagte Kremlsprecher Peskow am Mittwoch laut Interfax.
9. Mai in Russland: „So oder so wird eine Siegesbotschaft verkündet“
Ein solcher Schritt sei ohnehin „eine sehr riskante Entscheidung“, sagte Oleg Ignatov, Russland-Analyst bei der Nichtregierungsorganisation „Crisis Group“, zum US-Sender CNN. Denn dann müsste Putin zugeben, dass die Invasion nicht nach Plan verlaufe, so Ignatov. „Das würde die ganze Erzählung des Kreml verändern.“
Das glaubt auch der Sicherheitsexperte Dmitri Alperovitch. „Die russische Öffentlichkeit unterstützt derzeit die Fake-Version des Krieges, die sie auf ihren TV-Bildschirmen sehen. Die meisten Familien kennen niemanden, der kämpft und stirbt (viele Soldaten stammen aus armen Dörfern und ethnischen Minderheiten). Eine riesige Mobilisierung würde das alles ändern und ist sehr riskant“, schrieb Alperovitch auf Twitter.
Spekuliert wird, dass – falls die Generalmobilmachung doch nicht kommt – Putin am 9. Mai möglicherweise die Annexion der abtrünnigen Gebiete Luhansk und Donezk in der Ostukraine verkündet. Laut CNN gebe es auch Hinweise darauf, dass Russland die Ausrufung und Annexion einer „Volksrepublik“ in der südöstlichen Stadt Cherson planen könnte. Auch die Verstärkung der Südinvasion über Odessa nach Transnistrien sei ein möglicher Aufhänger für die Putin-Rede zum „Tag des Sieges“, wird kolportiert.
Experte Yudin dagegen glaubt, dass Putin am Montag „das Ende von Mariupol, das man dem Erdboden gleichgemacht hat, als Sieg präsentiert.“ Egal, was es letztlich sei, so Yudin: „So oder so wird eine Siegesbotschaft verkündet.“