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  • Geflüchtete strecken in einem überfüllten Boot 122 Meilen vor der libyschen Küste im Mittelmeer die Arme nach Helfern der spanischen NGO „Open Arms“ aus.
  • Foto: picture alliance/dpa/AP

„Tausende vermeidbare Todesfälle“: Europarat rechnet mit EU-Flüchtlingspolitik ab

Straßburg –

„Versagen“, „schändliche Tragödie“, „Wettlauf nach unten“: Die Menschenrechtskommissarin Dunja Mijatović findet deutliche Worte für die Flüchtlingspolitik der EU. Der derzeitige Umgang mit Geflüchteten sorge jedes Jahr für „Tausende von vermeidbaren Todesfällen“. Doch Mijatović klagt nicht nur an, sie fordert auch Maßnahmen zur Verbesserung der Situation.

Der Bericht „Ein Notruf für die Menschenrechte“ von der Menschenrechtskommissarin des Europarats zeichnet ein Bild des Versagens europäischer Flüchtlingspolitik. Es gelinge den europäischen Ländern nicht, für den Schutz von Geflüchteten auf der Mittelmeerroute zu sorgen. Schlimmer noch: Bei den Rechten und dem Schutz der Menschen mache die EU sogar Rückschritte, die Situation werde schlimmer, so Mijatović.

Europarat rechnet mit Flüchtlingspolitik ab

Im vergangenen Jahr gab die Menschenrechtskommissarin einen Katalog an Empfehlungen für den Umgang mit Geflüchteten auf See heraus. Der nun veröffentlichte Bericht zieht Bilanz mit Blick auf die Umsetzung. Zudem macht die Kommissarin deutlich, welche Maßnahmen von den europäischen Staaten umgesetzt werden müssen, damit Menschenrechte auf den Migrationsrouten eingehalten werden. 

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Dazu gehöre, ausreichende staatlich geführte Such-und Rettungseinsätze auf See zu garantieren, helfenden NGOs ihre Arbeit zu ermöglichen, Pushbacks zu beenden und sichere und legale Routen nach Europa auszubauen. „Es ist höchste Zeit für die europäischen Länder, dieser schändlichen Tragödie ein Ende zu setzen und eine menschenrechtskonforme Migrationspolitik zu betreiben“, heißt es im Bericht.

„Beklagenswerte“ Menschenrechtslage im Mittelmeer

Mijatović zeigt zwar einige begrenzte Fortschritte beim Schutz von Geflüchteten auf, macht jedoch deutlich, dass die Menschenrechtslage im Mittelmeer nach wie vor „beklagenswert“ ist. Laut Aufzeichnungen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind von Juni 2019 bis Ende 2020 mehr als 2400 Menschen im Mittelmeer durch Schiffbruch gestorben – wobei die Dunkelziffer deutlich höher sein dürfte, heißt es im Bericht.

Statt sich der Hilfe und Schutz suchenden Menschen anzunehmen, liefern sich die europäischen Länder laut Mijatović einen „Wettlauf nach unten“: Sie versuchen alles, damit die Menschen außerhalb der Grenzen bleiben, trotz der fatalen Folgen. Der Umgang mit den Geflüchteten an Europas Außengrenzen sei eines „der eklatantesten Beispiele dafür, wie eine schlechte Migrationspolitik die Menschenrechte untergräbt und dabei Tausende von Menschen das Leben gekostet hat“, so Mijatović.

Europäer haben ihre Geschichte vergessen

Das es keine sicheren und legalen Wegen nach Europa gibt, führe zu der Unterstützung von Schleppern und Menschenhändlern. Zudem dränge sich der Eindruck auf, dass Boote gezielt in die Hände der libyschen Küstenwache getrieben würden – ein Land, in dem Geflüchtete nachweißlich erpresst und gefoltert werden.

Die Kommissarin zieht im Bericht jedoch nicht nur die Staaten am Mittelmeer zur Verantwortung, sondern auch die anderen Mitgliedsstaaten, da diese die Menschenrechtsverletzungen duldeten oder teilweise sogar aktiv unterstützten.

Das Verwunderliche sei, dass die Europäer eigentlich wissen, was es heißt, ein Geflüchteter zu sein. Nach dem Zweiten Weltkrieg warteten Hunderttausende darauf, in ihre Länder zurückgelassen zu werden, ihre Staatsangehörigkeit wieder zu erlangen und Tausende neue Geflüchtete entkamen durch den Eisernen Vorhang, schreibt Mijatović. Doch es scheint, als habe Europa seine „Vergangenheit vergessen“. 

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