Zigarettenstummel in einem Ascheimer

Zigarettenstummel in einem Mülleimer (Symbolbild). Foto: picture alliance / Rene Traut Fotografie | Rene Traut

Wirbel im Kampf gegen Tabak: Experten schlagen radikale Verbote vor

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Ein Expertenteam schlägt vor, Filterzigaretten weltweit zu verbieten – das soll Rauchen unattraktiver machen. Was es damit auf sich hat und wer darüber entscheiden würde.

Rauchen ist lebensgefährlich und erhöht unter anderem das Risiko für Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen sowie mehr als 20 Krebsarten deutlich. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben durch Tabakkonsum jedes Jahr weltweit mehr als sieben Millionen Menschen. Bei einer WHO-Konferenz in Genf werden nun radikale Vorschläge gemacht, um den Kampf gegen den Tabak voranzutreiben. Die haben es in sich. Über einen Vorschlag gab es bereits Aufregung in den Medien. 

Will die WHO Filterzigaretten verbieten?

Nein, das kann sie gar nicht. 

Bei der Konferenz der 183 Vertragsparteien der Anti-Tabak-Konvention (FCTC) ab 17. November liegt aber ein Papier auf dem Tisch, das ein Verbot der Einfuhr und Herstellung von Filtern und Filterzigaretten vorschlägt – ebenso wie 15 weitere Maßnahmen. Das Papier stammt von unabhängigen Expertinnen und Experten, die von den Vertragsstaaten beauftragt waren, neue Ideen zur Einschränkung von Tabak- und Nikotin-Konsum vorzulegen. Filterzigaretten machen 90 Prozent des Marktes aus. 

„Das Entfernen jeglicher Filter von Zigaretten hätte erhebliche Auswirkungen auf die Verringerung der Attraktivität und Anziehungskraft von Zigaretten“, heißt es in dem Papier. Filter reduzierten die Gefährlichkeit des Rauchens praktisch nicht, vielmehr verleiteten sie Raucher, stärker zu inhalieren, was Giftstoffe tiefer in die Lunge bringe. Zudem vergifteten Milliarden weggeworfener Kippen die Umwelt. 

Was schlagen die Experten noch vor? 

Unter den 16 empfohlenen Maßnahmen ist auch, Werbung ganz zu verbieten und Tabakprodukte nicht mehr kommerziell verkaufen zu lassen, sondern nur noch von öffentlichen Einrichtungen unter strikten Regeln. Das verhindere, dass Firmen mit Werbung neue Kunden ködern und ihren Gewinn maximieren können. Ein anderer Vorschlag ist, den Verkauf an Personen ab einem bestimmten Geburtsdatum zu verbieten, wie es in Teilen des US-Bundesstaates Massachusetts und seit 1. November auf den Malediven gilt. Die Vorschläge empfehlen zudem ein Verbot sämtlicher Tabakzusätze und Aromastoffe. 

Sind die Vorschläge verbindlich? 

Nein, sagt Benn McGrady, Jurist in der WHO-Abteilung, die sich mit Tabak beschäftigt. „Normalerweise wird ein solcher Bericht von der Konferenz zur Kenntnis genommen, und dann könnten einzelne Vertragsparteien die Maßnahmen ergreifen, die sie für angemessen halten.“

Die vor 20 Jahren in Kraft getretene Anti-Tabak-Konvention, die auch Deutschland ratifiziert hat, ist allerdings rechtsverbindlich. Darin sind Ziele genannt, etwa die Einschränkung des Verkaufs, hohe Steuern oder Werbeverbote. Wie das erreicht wird, entscheiden Regierungen selbst. 

Was hält die WHO von den Vorschlägen?

„Wir sind nicht gegen ein Filterverbot“, sagt Etienne Krug, Direktor der Anti-Tabakabteilung der WHO. Die Filterdiskussion dürfe aber nicht von den erwiesenermaßen effektivsten Maßnahmen im Kampf gegen Tabak und Nikotin ablenken. Dazu gehören rauchfreie Räume, das Angebot von Entwöhnprogrammen, Werbe- und Sponsoringverbote und vor allem hohe Tabaksteuern. „Wenn Länder mehr tun und Filter verbieten wollen, ist das in Ordnung. Aber es sollte nicht so sein, dass wir Filter verbieten und den Rest vergessen“, sagt er. Von Deutschland wünscht sich die WHO regelmäßig höhere Tabaksteuern. 

Für ein Verbot von Aromastoffen hat die WHO sich bereits ausgesprochen. „Diese neuen Produkte stellen eine Gefahr dar“, sagt Krug. „Insbesondere befürchten wir, dass junge Menschen zum Konsum dieser schädlichen Produkte verleitet werden könnten, mit dem Risiko, dass sie jahrelang abhängig werden.“ 

Was sagt die EU zu den Vorschlägen?

Die lotet hinter verschlossenen Türen ihre Position aus. In einem Entwurf für eine gemeinsame Position hieß es im Oktober, sie begrüße, dass 16 Vorschläge ausgearbeitet worden seien. Man sei sehr besorgt über die Verschmutzung von Boden und Wasser durch Tabak und Nikotinprodukte. Man nehme zur Kenntnis, dass ein Verbot von Filterzigaretten Menschen und Umwelt vor Schäden bewahren könne. Die Tabak-Lobby sieht in dem Entwurf den ersten Schritt für ein mögliches Verbot von Filterzigaretten. 

Plant die EU ein Verbot?

Die für Gesetzesinitiativen zuständige EU-Kommission stellt klar: „Die Europäische Kommission plant nicht, Filterzigaretten zu verbieten.“ Das hat Gewicht, denn allein die EU-Kommission kann EU-Gesetze vorschlagen und damit in den Gesetzgebungsprozess einbringen. Auch aus den Kreisen der EU-Mitgliedsstaaten heißt es, dass kein Verbot in Vorbereitung sei.

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Wer würde über ein Filterverbot in Deutschland entscheiden? 

In allen Fällen hätte die Bundesregierung ein entscheidendes Mitspracherecht. Auf Nachfrage verweist das Bundesgesundheitsministerium auf die normalen Gesetzgebungsverfahren. Danach bringt die Bundesregierung in der Regel einen Vorschlag ein, der von Bundestag und eventuell Bundesrat beschlossen wird. 

Sollte die EU-Kommission ein Filterverbot auf den Weg bringen wollen, könnten die EU-Staaten – also auch die Bundesregierung – das verhindern. Denn im Bereich der Gesundheitspolitik hat die EU nur eingeschränkte Kompetenzen. (dpa)

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