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  • Eine Forscherin in einem Labor im Uni-Klinikum Bonn.
  • Foto: imago images/Rupert Oberhäuser

Warum wir immer noch so wenig über Corona wissen

Büro, Öffis, Zuhause – wo und wie stecken wir uns an? Noch immer sind die wohl wichtigsten Fragen der Pandemie ungeklärt. Wissenschaftler:innen beklagen die schlechte Datenlage in Deutschland schon länger. Was hält uns von einer zielgerichteteren Datenerhebung ab?

Infektionsherde entdecken und Kontake nachverfolgen – eigentlich ist klar, wie wir die Pandemie bekämpfen können. Bloß: Wo und wie genau infizieren sich Menschen? Deutschland stochert diesbezüglich immer noch im Nebel, beklagen Forscher:innen: „Nur mit wissenschaftlichen Auswertungen, die auf einer sehr breiten Grundlage basieren, können für die Politik die notwendigen Entscheidungshilfen in kürzester Zeit zur Verfügung gestellt werden“, sagt etwa der Vorsitzende der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Statistik, Tim Friede.

Aber warum wird hierzulande keine bessere Datengrundlage geschaffen? Friede kann sich das „nicht recht erklären“. Liegt es am den Deutschen so wichtigen Datenschutz? Er habe mehrmals erlebt, „dass eine wissenschaftliche Nutzung von Daten mit Verweis auf den Datenschutz verweigert wurde“, sagt Friede tatsächlich. Aber: Zum Teil könnte das auch nur ein vorgeschobenes Argument gewesen sein, sagt er.

Gesundheitsministerium verweigert Antworten

Dass die Erhebung großer Corona-Datenmengen möglich sei und Früchte trage, zeige sich in Großbritannien. Eine Studie mit gut 40.000 Patient:innen habe dort etwa die Grundlage für Therapie-Empfehlungen weltweit geschaffen, sagt Friede. Die Briten zeigten dabei einen Pragmatismus, der hierzulande teils fehle. „Gelegentlich habe ich gar den Eindruck, dass wir mit dem Streben, alles besonders exakt machen zu wollen, uns selbst im Weg stehen“, so Friede.

Was sagt das Gesundheitsministerium zu den Vorwürfen? Mehrere Fragen der Deutschen Presseagentur, unter anderem, warum bei Neuinfektionen nicht stets auch Infos zu Beruf, Arbeitsweg und Wohnverhältnissen abgefragt werden, ließ das Ministerium weitgehend unbeantwortet. Es verwies lediglich auf das Infektionsschutzgesetz, das vorschreibe, welche Daten Meldepflichtige an die Gesundheitsämter zu übermitteln hätten.

Forscher sagt, Daten allein helfen nicht

Dass eine solidere Statistik-Grundlage letztendlich tatsächlich zu besseren Maßnahmen bei der Pandemiebekämpfung führen würde, daran hat Gerd Gigerenzer, Direktor des Harding-Zentrums für Risikokompetenz in Potsdam, jedoch Zweifel. Studien hätten gezeigt, dass wir in einer Gesellschaft lebten, die nicht darauf vorbereitet sei, statistisch zu denken. Das trage dazu bei, dass einige in Verschwörungstheorien abdrifteten. „Hier muss dringend was getan werde, es hilft nicht nur, Daten bereitzustellen.“

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Dabei sei es nicht so, dass Menschen in Notsituationen die Vernunft und das Zahlenverständnis automatisch abschalteten. Menschen seien selbst dann in der Lage Risiken abzuwägen. „Wenn man ihnen das beibringt“, schiebt Gigerenzer hinterher. Das sei wie Lesen und Schreiben.

Bei verantwortlichen Politikern käme bei Entscheidungen noch ein anderer Faktor hinzu: Die Sorge um die Haftung veranlasse viele, sehr defensiv zu agieren. Oft führten Haftungsbedenken zu falschen Entscheidungen, so Gigerenzer. Da spiele sicher auch das Kalkül mit rein, bei der nächsten Wahl nicht abgestraft zu werden.

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