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Ben Ferencz
  • Ben Ferencz ist im Alter von 103 Jahren gestorben
  • Foto: IMAGO/USA TODAY Network

„Tut dafür, was immer ihr könnt“: Letzter NS-Chefankläger mit 103 Jahren gestorben

Es war ein sehr, sehr langes Leben, in dem er mehr Entsetzliches sah, als ein Mensch eigentlich ertragen kann. Und in dem er mehr für die Gerechtigkeit tat, als es in einem Leben eigentlich möglich erscheint. Jetzt ist Benjamin Ferencz gestorben, mit 103 Jahren. Er war der letzte noch lebende Chefankläger bei den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen und einer der Gründer des Strafgerichtsthofs. Er war ein Kämpfer für das Gute, sein Leben lang.

„Die Welt hat einen Anführer im Kampf für die Gerechtigkeit für Opfer von Genozid und damit verbundenen Verbrechen verloren“, twitterte das US-Holocaust-Museum. Benjamin Ferencz starb in einer Seniorenwohnanlage in seiner Wahlheimat Florida, seinen 103. Geburtstag im März hatte er noch gefeiert.

Ferencz, Sohn orthodoxer Juden aus Siebenbürgen, wuchs in bescheidenen Verhältnissen in New York auf und studierte dank eines Stipendiums später an der Elite-Universität Harvard. Der Jurist war nicht einmal 30 Jahre alt, als er Nazi-Kriegsverbrechern in Nürnberg den Prozess machte.

Ferencz war Chefankläger in einem der zwölf sogenannten Nachfolgeprozesse. Die folgten von 1946 bis 1949 auf das Verfahren gegen die Hauptkriegsverbrecher. 24 führende SS-Leute klagte er an, unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen.

Benjamin Ferencz erlebte die Befreiung von Konzentrationslagern

Vor den Prozessen war er als US-Soldat bei der Befreiung mehrerer Konzentrationslager dabei. Niemals konnte er die Bilder vergessen, die er dort sehen musste. „Es gab bei den Nazis Anweisungen, bei einer Mutter, die ein Baby hält, durch das Baby zu schießen, weil man so beide auf einmal umbringen kann“, sagte er 2020 in einem Interview.

„Das sind Horrorgeschichten, aber sie sind wahr und wir müssen uns mit ihnen beschäftigen, damit sie nicht noch mal passieren. Ich habe das Gefühl, für die Opfer zu sprechen, für ermordete Männer, Frauen und Kinder. Kleinkinder, deren Köpfe an Bäumen zerschellten.“

Ferencz hatte eine Botschaft für die Deutschen

Vor allem für die Deutschen war seine Botschaft wichtig, sagt er: „Ich habe erlebt, dass aus eigentlich anständigen Menschen Massenmörder werden können. Krieg kann das machen. Krieg zerstört jede Form von Moral und wurde trotzdem jahrhundertelang glorifiziert. Ich habe mein Leben damit verbracht, diese Ansicht umzudrehen und dafür zu sorgen, dass das, was immer glorifiziert wurde, als das schreckliche Verbrechen gesehen wird, das es ist.“

Doch die Prozesse waren nicht alles, was Ferencz für die Gerechtigkeit auf diesem Planeten tat. Er  fügte auch den Begriff „Genozid“ in die Gerichtspraxis ein – und gilt als Geburtshelfer des Internationalen Strafgerichtshofs: Mit fast 90 Jahren eröffnete er 2009 symbolisch das erste Plädoyer der Anklage des Gerichts in Den Haag.

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„Bens beständiges Streben nach einer friedlicheren und gerechteren Welt umspannte fast acht Jahrzehnte und hat die Art, wie wir auf die schlimmsten Verbrechen der Menschheit reagieren, für immer bestimmt“, sagte die Direktorin des US-Holocaust-Museums. „Er hat in Nürnberg Geschichte geschrieben und tat dies auch weiterhin während seines außerordentlichen Lebens.“

In seiner 2020 erschienenen Biografie formulierte Ferencz selbst es so: „Wir müssen das Recht aller Menschen in jedem einzelnen Land schützen, in Frieden und Würde zu leben. Das ist mein Ziel. Wenn ihr dieses Ziel auch habt: Tut dafür, was immer ihr könnt.“

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