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Corona-Demo
  • Immer wieder gehen in Hamburg Menschen gegen die Corona-Politik auf die Straße. Für so genannte „Spaziergänge“ gelten nun strengere Regeln.
  • Foto: dpa

Tödliche Lügen: Wie Querdenker sich auf Telegram radikalisieren

Ein Mann in Brandenburg tötet seine Kinder. Seine Frau. Sich selbst. Er hinterlässt einen Abschiedsbrief: Er habe Impfpässe gefälscht, Angst vor einer Haftstrafe und dass man ihm seine Kinder wegnehme. Die Ermittlungen legen Verbindungen zur „Querdenker“-Szene nahe. Anhänger der Szene radikalisieren sich derzeit vor allem auf Telegram – und rufen zum bewaffneten Kampf auf.

Sie drohen, äußern Mordfantasien, rufen zum Kampf auf: Ein Blick in die Telegram-Kanäle von „Querdenkern“ und Corona-Leugnern offenbart ein Paralleluniversum. Hier werden Falschnachrichten zu Pandemie, Masken und Impfungen verbreitet. Es wird zu spontanen Demonstrationen aufgerufen, Widerstand gegen die angebliche „Corona-Diktatur“ formiert und gehetzt – gegen Wissenschaftler, Politiker, Impfteams und Juden.

In manchen Chat-Erzählungen ist die Corona-Pandemie eine große Lüge, in anderen eine Biowaffe der Eliten. Die Impfung rettet hier keine Leben, sondern richtet Schäden an, tötet sogar. Alle Chat-Mitglieder vereint der Hass. Alle sind im Kampf. Und alle meinen, sich selbst verteidigen zu müssen.

Telegram – das „Darknet des kleinen Mannes“

Für die Organisation ihres „Widerstandes“ ist Telegram ideal. Unüberwacht, offen für jeden, Gruppen ohne Mitgliederbeschränkung. Das „Darknet des kleinen Mannes“ nennt der Journalist Sascha Lobo das Netzwerk. Es ist eine Mischung aus Social Network und Messenger-Dienst. Lobo erklärt im „Spiegel“: „Telegram verbindet die Intimität und Sofortheit von Messengern mit der Viralität und dem News-Gefühl von Social Networks.“ Wer sich hier herum treibt, gerät leicht in einen Strudel der Desinformation und Panikmache. Er findet sich in einer Welt von Fake-News und Verschwörungen. Doch es ist kein rein mediales Problem. 

Die Familie des Mannes aus Königs Wusterhausen (Brandenburg) ist nicht das erste Opfer der „Querdenker“-Erzählungen. Viel zu lange wurde die Gefahr unterschätzt. Das große Erwachen kam Hand in Hand mit großem Entsetzen: Ein Mann erschoss im September den 20-jährigen Tankstellenmitarbeiter Alexander W. nach einem Masken-Streit. Der Täter bewegte sich im rechten „Querdenker“-Milieu, war auf einschlägigen Twitterkanälen und bei Telegram aktiv.

Ein Maskenverweigerer hat in Idar-Oberstein den Tankwart Alexander W. erschossen. dpa
Mord an Tankstelle
Ein Maskenverweigerer hat in Idar-Oberstein den Tankwart Alexander W. erschossen.

Die Radikalisierung wird auf jeder Corona-Demo offensichtlich: Journalisten werden beleidigt und angegriffen. Einzelne Polizisten in die Enge getrieben und attackiert. Der Holocaust verharmlost und für die Zwecke der Impfgegner missbraucht. Türsteher, Busfahrer und Bahnpersonal werden angegriffen, weil sie sich für die Einhaltung der Corona-Regeln einsetzten.

Zahlreiche Querdenker-Aufmärsche vor Wohnhäusern von Politikern

„Querdenker“ und Rechte demonstrierten mit Fackeln vor dem Haus von Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping. Die Aufmärsche vor dem Haus des SPD-Politikers Karl Lauterbach und der SPD-Politikerin Manuela Schwesig konnte die Polizei gerade noch unterbinden. In einer Telegram-Gruppe wurden Mordpläne gegen Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) besprochen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Der Journalist Alexander Roth beobachtet die Querdenker-Kanäle bereits seit eineinhalb Jahren. Sein Fazit: Noch nie standen die Zeichen so deutlich auf Gewalt wie jetzt. In einer Reihe von Tweets schildert er seine Beobachtungen. Die „Querdenker“ in den Telegramkanälen hätten in der Regel ein „geschlossenes ideologisches Weltbild“, in das keine Informationen außerhalb ihrer Blase mehr eindrängen.


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Die Chats würden den Menschen signalisieren, dass ein großer Teil der Bevölkerung so denkt wie sie. Sie sehen sich als Opfer und Märtyrer. Die Impfung sei für sie eine  „Todesspritze“. Demnach haben sie in ihrem Kampf dagegen nichts mehr zu verlieren. Roth zufolge wird die Gewalt weiter zunehmen: „Wir haben es hier mit einer radikalen, gewaltbereiten Minderheit (…) zu tun. Die das Gefühl hat, mit dem Rücken zur Wand zu stehen.“

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