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Helfer der Wasserwacht untersuchen von einem Boot aus Lastwagen, die auf der überfluteten Bundesstraße 265 stehen.
  • Helfer der Wasserwacht untersuchen von einem Boot aus Lastwagen, die auf der überfluteten Bundesstraße 265 stehen.
  • Foto: picture alliance/dpa | Marius Becker

Tausend Vermisste, 106 Tote: „Das Leid nimmt gar kein Ende“

Bilder wie aus einem Katastrophenfilm: Riesige Löcher klaffen im Boden, Wassermassen haben Häuser mit sich gerissen, die Zahl der Toten steigt am Freitagnachmittag auf 106. Mehr als 1000 Menschen werden vermisst. Im nordrhein-westfälischen Erftstadt südlich von Köln hat es gewaltige Erdrutsche gegeben, Luftbilder zeigen apokalyptische Zerstörungen. Das Verteidigungsministerium löste wegen der Notlage einen militärischen Katastrophenalarm aus – Deutschland erlebt eine der größten Unwetterkatastrophen der Nachkriegszeit.

Immer wieder kommen Notrufe aus Erftstadt, unweit von Köln. Nach dem extremen Starkregen war der Fluss Erft über die Ufer getreten, drei Wohnhäuser und ein Teil der historischen Burg stürzten ein. Die Flut sei schnell gekommen, sagt Landrat Frank Rock (CDU). Die Situation ist unübersichtlich. Mit Schreien versuchen Bewohner die Retter in den Booten auf sich aufmerksam zu machen.

Flutkatastrophe in Deutschland: Über 100 Tote

„Das Leid nimmt auch gar kein Ende“, sagt Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, über die Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands.

Einsatzkräfte der Feuerwehr gehen durch den verwüsteten Ortskern von Schuld in Rheinland-Pfalz. picture alliance/dpa | Lino Mirgeler
Einsatzkräfte der Feuerwehr gehen durch den verwüsteten Ortskern von Schuld in Rheinland-Pfalz.
Einsatzkräfte der Feuerwehr gehen durch den verwüsteten Ortskern von Schuld in Rheinland-Pfalz.

Fakt ist: 106 Menschen haben in NRW und Rheinland-Pfalz bereits ihr Leben verloren, Stand Freitagnachmittag. Die Zahl der Opfer wird vermutlich weiter steigen: Mehr als tausend Menschen gelten noch als vermisst. Viele andere stehen derweil vor den Trümmern ihrer Existenz. Am Freitagabend waren nach Angaben von Energieversorgern noch etwa 102.000 Menschen ohne Strom, in der Spitze waren es bis zu 200.000 Menschen.

Zwölf Bewohner einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung gestorben

Unter den Todesopfern der Flutkatastrophe sind auch zwölf Bewohner einer Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung. Nach dem Unwetter in der Nacht zum Donnerstag wurden 13 Menschen von dort vermisst, einer von ihnen sei lebend gerettet und in ein Krankenhaus gebracht worden, teilte eine Sprecherin des Innenministeriums von Rheinland-Pfalz mit. „Das Wasser drang innerhalb einer Minute bis an die Decke des Erdgeschosses“, sagte der Geschäftsführer des Landesverbands der Lebenshilfe in Rheinland-Pfalz, Matthias Mandros.

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Die Nachtwache habe es noch geschafft, mehrere Bewohner in den ersten Stock des an der Ahr gelegenen Wohnheims zu bringen. „Als er die nächsten holen wollte, kam er schon zu spät.“ Das Team sei völlig traumatisiert. Seelsorger bereiten sich darauf vor, die 23 überlebenden Bewohner behutsam über das schreckliche Geschehen aufzuklären.

Kreis Ahrweiler: Gasleitung nach Starkregen komplett zerstört

Die nächste Katastrophenmeldung kommt aus dem vom Hochwasser gebeutelten Kreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz: Die Gasleitungen sind komplett gerissen. Mehrere Kilometer Leitung müssen laut dem Versorger Energienetze Mittelrhein komplett neu gebaut werden. „Das wird leider Wochen oder Monate dauern, bis dort wieder Gasversorgung ist“, sagte ein Unternehmenssprecher. „Das heißt für die Bürger: kaltes Wasser, und wenn die Heizperiode kommt, auch kalte Wohnung.“

Einsatzkräfte der Bundeswehr helfen in den Katastrophengebieten in NRW und Rheinland-Pfalz. picture alliance/dpa | Marius Becker
Einsatzkräfte der Bundeswehr helfen in den Katastrophengebieten in NRW und Rheinland-Pfalz.
Einsatzkräfte der Bundeswehr helfen in den Katastrophengebieten in NRW und Rheinland-Pfalz.

Die Staumauern und Dämme der Talsperren in Nordrhein-Westfalen haben währenddessen der Belastung der vergangenen Tage Stand gehalten. Einzige Ausnahme: Die Steinbachtalsperre im Kreis Euskirchen, dort droht ein Durchbrechen des Staudamms. Mehrere Ortschaften im Bereich des Sees wurden evakuiert.

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Der Grund für die heftigen Niederschläge im Südwesten ist laut Meteorologe Alexander König eine „blockierende Wetterlage“. Tief „Bernd“ mit seinen wasserreichen Luftmassen habe mehrere Tage über Deutschland rotiert, da der Weg Richtung Osteuropa durch ein mächtiges Hoch versperrt war. Dass Hochs nicht vom Fleck kommen und Dürre bringen und anderswo Tiefs festsitzen und Starkregen vom Himmel stürzt – diese Blockaden sind Folgen des Klimawandels.

Flutkatastrophe in Deutschland: Einsatzkräfte im Dauereinsatz

Die Einsatzkräfte der Feuerwehr, des Technischen Hilfswerks, der DLRG und Polizei sind inzwischen im Dauereinsatz. Mehrere Bundesländer, darunter auch Hamburg, sendeten personelle Unterstützung in die Hochwasser-Gebiete. Unter anderem sind Einsatzkräfte der Hamburger Bereitschafts- und Wasserschutzpolizei auf dem Weg nach NRW. Die Bundeswehr hat zur Unterstützung inzwischen etwa 900 Soldaten in die Katastrophengebiete geschickt.

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Bis einigermaßen Klarheit besteht über die Zahl der Todesopfer und der endgültig vermissten Personen, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Immerhin: Die Unwettergefahr in Deutschland nimmt nach einer Prognose des Deutschen Wetterdienstes dank Hoch „Dana“ am Wochenende allmählich ab. Trotzdem könne „Bernd“ weiterhin Teile des Landes voll im Griff haben. Die Gefahr ist noch nicht vorbei. (aba/dpa)

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