Seit 22 Monaten verschleppt: Diese Deutschen hält die Hamas noch immer gefangen
Sie wurden verschleppt, misshandelt, ermordet – und doch kennt kaum jemand ihre Namen. Ein neues Propagandavideo der Hamas rückt die letzten deutschen Geiseln wieder ins Licht.
Die Entführungen liegen fast zwei Jahre zurück. Am 7. Oktober 2023 überfiel die Hamas Israel – mehr als 1200 Menschen wurden ermordet, über 250 in den Gazastreifen verschleppt. Unter ihnen auch mindestens 30 mit deutscher Staatsbürgerschaft: Frauen, Männer, Jugendliche, Zivilisten, Soldaten. Einige wurden freigelassen, andere kamen ums Leben. Doch sieben von ihnen – tot oder lebendig – befinden sich auch fast zwei Jahre nach dem grausamen Attentat in der Gewalt der Hamas.
„Ich habe kein Wasser und kein Essen. Ich stehe kurz vor dem Tod“
Mit der Zeit jedoch verschwinden ihre Namen aus der öffentlichen Wahrnehmung. Ihre Gesichter tauchen kaum noch auf, ihre Geschichten werden seltener erzählt. Während internationale Aufmerksamkeit zunehmend auf diplomatische Fragen und politische Forderungen gerichtet ist – wie zuletzt durch Emmanuel Macrons Vorstoß zur Anerkennung eines palästinensischen Staates – verlieren sich die Namen der Geiseln im Hintergrundrauschen.
Doch mit gezielten, grausamen Videos versucht die Hamas, das Vergessen in zynischer Weise selbst zu unterbrechen. In der vergangenen Woche wurde ein Propagandavideo veröffentlicht, das die deutsch-israelische Geisel Rom Braslavski zeigt – 21 Jahre alt, seit über 660 Tagen in der Gewalt des Islamischen Dschihad. Er liegt regungslos auf einer Matratze, sagt unter Tränen: „Ich habe kein Wasser und kein Essen. Ich stehe kurz vor dem Tod.“
Ein weiteres Video zeigt den 24-jährigen Evyatar David, barfuß, abgemagert bis auf die Knochen. Er zählt die Tage auf, an denen er nichts zu essen bekam. Auch er wurde beim Nova-Festival entführt. Seine Familie wirft der Hamas vor, ihn gezielt hungern zu lassen – als Teil einer „abscheulichen Hungerkampagne“.
„Warum schafft es unsere Staatsspitze nicht?“
Der CDU-Politiker Armin Laschet äußerte sich öffentlich und deutlich. Für ihn ist das Schweigen zur Lage der Geiseln nicht nur moralisch untragbar, sondern politisch gefährlich. Auf X schrieb er: Hamas-Terroristen veröffentlichen ein Horror-Video, in dem ausgehungerte Geiseln ihr eigenes Grab schaufeln. Sie sind sich ihrer Sache sicher, weil ihr Propaganda-Kampf in Europa längst Erfolg hat. […] Warum schafft es unsere Staatsspitze nicht, sich dem Appell anzuschließen, täglich die Namen der deutschen Geiseln zu nennen und die sofortige Freilassung zu fordern?“
Hamas-Terroristen veröffentlichen ein Horror-Video, in dem ausgehungerte Geiseln ihr eigenes Grab schaufeln. Sie sind sich ihrer Sache sicher, weil ihr Propaganda-Kampf in Europa längst Erfolg hat. Israels Staatspräsident @Isaac_Herzog appelliert jetzt an die Welt. Warum schafft… https://t.co/FWwD8jXUfY
— Armin Laschet (@ArminLaschet) August 3, 2025
Er fordert: Bilder und Namen der Geiseln sollten öffentlich sichtbar gemacht werden – an Bahnhöfen, Flughäfen, Straßen. Und: Der Bundestag müsse sich, unabhängig von politischen Differenzen, auf die klare Verurteilung dieser Barbarei verständigen.
Doch wer sind neben Evyatar David die Deutschen, die noch immer unter unmenschlichen Bedingungen in Gefangenschaft sind – oder deren Leichen weiter von der Hamas zurückgehalten werden?
Rom Braslavski (21)

Rom, geboren in Ashkelon, besitzt sowohl die deutsche als auch israelische Staatsangehörigkeit. Er war freiwilliger Ordner beim Nova-Festival – obwohl er eigentlich im Wehrdienst stand – und half bei der Evakuierung von Menschen. Seit dem 7. Oktober 2023 ist er in Gefangenschaft. Im Juli 2025 veröffentlichte der Islamische Dschihad ein erschütterndes Video: Rom liegt apathisch und ausgemergelt auf einer Matratze, seine Stimme ist brüchig: „Ich habe kein Wasser und kein Essen. Ich stehe kurz vor dem Tod.“ Er braucht dringend Medikamente, die ihm offenbar verweigert werden.
Alon Ohel (24)

Alon, ein talentierter Musiker und Pianist aus Tel Aviv, wurde beim Nova-Festival angeschossen. Freigelassene Geiseln berichten, dass Ohel ein schweres Schädeltrauma erlitten habe, das zum Verlust eines Auges führte. Er besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Es gibt keine offiziellen Aufnahmen von ihm in Gefangenschaft – lediglich Berichte, dass er stark unterernährt sei, aber weiterlebt. Seine Familie veröffentlicht regelmäßig Appelle und private Videobotschaften im Netz, um auf sein Schicksal aufmerksam zu machen.
Tamir Nimrodi (20)

Tamir war Soldat am Erez-Grenzübergang und gilt als stark kurzsichtig. Der Junge aus Rehovot wurde ohne Brille entführt – was ihm das Überleben zusätzlich erschwert. Er besitzt einen deutschen Pass. Trotz intensiver Suche gibt es bislang kein Lebenszeichen: kein Bild, keinen Ton. Die israelische Militärführung vermutet, er werde in Jabaliya festgehalten. Seine Familie kämpft seit Monaten öffentlich – nicht zuletzt in deutschen Medien – für sein Schicksal.
Gali & Ziv Berman (je 27)

Die Zwillingsbrüder aus dem Kibbutz Kfar Aza arbeiteten zusammen im Veranstaltungstechnik-Team. Sie planten eine Reise nach Australien, als sie am 7. Oktober verschleppt wurden – vermutlich aus ihrem Zuhause. Seitdem fehlen sämtliche Hinweise auf ihren Verbleib. Sicherheitskreise gehen davon aus, dass sie getrennt voneinander in Gaza festgehalten werden. Beide besitzen deutsche Pässe und engagieren sich mit Angehörigen für internationale Solidarität – bislang ohne sichtbare Wirkung.
Itay Chen († 19)

Itay – Israeli mit deutscher und US-amerikanischer Staatsbürgerschaft – war Soldat an der Grenze zu Gaza. Bei dem Überfall am 7. Oktober wurde er getötet. Die Hamas verschleppte seine Leiche und hält seinen Körper weiterhin zurück – offenbar als Druckmittel. Sein Vater, Rubi Chen, fordert Einsicht in Akten und Ermittlungen gegen Mitarbeiter des israelischen Ministerpräsidenten, um politisch Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen.
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