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Mann vor Laptop
  • Mit digitaler Desinformation soll eine Agentur weltweit Wahlen manipulieren.
  • Foto: PantherMedia / Sergiy Tryapitsyn

Recherche enthüllt: Ex-Agenten manipulieren weltweit Wahlen auf Bestellung

Wäre die Story ein Roman, hätte sich Tom Cruise bestimmt schon die Filmrechte gesichert. Der Streifen würde „Team Jorge“ heißen, wie die Agentur, um die es geht. Aber das, was jetzt darüber veröffentlich wurde, ist kein Thriller-Stoff. Sondern das Ergebnis einer sechsmonatigen Investigativrecherche eines internationalen Reporterteams. Kurz zusammengefasst: Es geht um einen israelischen Ex-Agenten, der gegen Millionensummen digitale Söldner und Desinformationskampagnen offeriert, um Wahlen zu manipulieren. Ziemlich erfolgreich anscheinend. Das beweist zum Beispiel ein Emu aus Florida.

Laut den Recherchen, an denen auch der „Spiegel“, die „Zeit“ und das ZDF beteiligt waren, besteht das sinistre „Team Jorge“ aus ehemaligen Militärs und Agenten. „Jorge“ ist ein Tarnname für den Chef, Tal Hanan. Der charismatisch-graumelierte Mann, optisch durchaus hollywoodtauglich, war laut eigenen Angaben in offen zugänglichen Quellen mal Sprengstoffexperte bei den israelischen Streitkräften.

Heute erfüllt „Jorge“ Kunden aus Wirtschaft und Politik ihre unredlichen Wünsche nach Macht und Einfluss. Skrupel gibt es dabei eher nicht, ein paar Tabus aber wohl schon: Laut „Spiegel“ gehören dazu Aktionen in Israel, Einmischung in US-Regierungspolitik und Aktionen gegen Putins Russland. Da mischt sich das „Team Jorge“ nicht ein.

„Team Jorge“: Agentur betreibt 30.000 falsche Konten auf Social Media

Um ihre Ziele zu erreichen, setzen die ehemaligen Militärs und Agenten laut der Recherche gezielt Fake News, Bots, Datenmanipulation und Hacking-Methoden ein. Sie behaupten, mit einer selbst entwickelten Software 30.000 glaubwürdig anmutende Fake-Konten auf Social-Media-Plattformen wie Facebook, Instagram oder Twitter aktiviert zu haben. So werden Gegner mit Schmutzkampagnen vernichtet, falsche Informationen verbreitet und sich sogar in Telegram-Kanäle von Politikern gehackt.

Wie die Reporter den Manipulatoren auf die Spur kamen? In monatelanger Vorbereitung gelang es Journalisten von „The Marker“, „Haaretz“ und Radio France, sich als angebliche Interessenten des „Team Jorge“ auszugeben. Ergebnis: fünf Videotelefonate, zwei Treffen. Beim ersten empfing Tal Hanan die vermeintlichen Neukunden laut ZDF so:  „Habt ihr gesehen, was an der Tür steht?! Nichts. Da steht kein Name. Und genau das sind wir. Wir sind nichts. Wir sind wie Luft!“ Die Firma residiert in einem unauffälligen Gebäude in der israelischen Kleinstadt Modi’in – diese liegt etwa auf halben Weg zwischen Tel Aviv und Jerusalem.

Investigativ-Journalisten trafen sich mit dem Chef von „Team Jorge“

Die angeblichen Interessenten brachten Tal Hanan offenbar auch dazu, die Effektivität seiner digitalen Manipulationen zu beweisen. Auf der Plattform „forbidden Storys“ berichten die Reporter von einem Test. Und dabei spielt ein Emu eine wichtige Rolle.

Genauer: Der Emu Emanuel, der durch Social Media berühmt wurde. Der komische Vogel, der letzten Sommer viral ging, erkrankte kürzlich an Vogelgrippe – erholte sich aber schnell. „Team Jorge“ sollte aber dafür sorgen, dass sich die (Fake-)News vom Emu-Tod unter dem Hashtag #RIP_Emmanuel im Netz verbreitet. Und das tat sie. Mehr als 20 Multimedia-Kampagnen auf allen fünf Kontinenten wurden identifiziert, gestartet von Social Media Accounts, hinter denen keine Menschen stecken, sondern ein Computerprogramm.

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Der vermeintliche Tod eines Emus ist ein harmloses Beispiel – die Besitzer wurden übrigens informiert. „Team Jorge“ hat aber wohl global viel fatalere Falschinformationen verbreitet: Hanan erklärte den Undercover-Reportern, man hätte 33 Wahlen manipuliert. 27 ihrer Kampagnen seien erfolgreich gewesen. Zwischen sechs und 15 Millionen Euro rufen die Männer dafür auf. Das Investigativ-Team betont dabei: Nicht jede ihrer Behauptungen ist unabhängig zu verifizieren.

Der britische „Guardian“ hat geleakte Dokumente, die obendrein eine unheilige Allianz beweisen: „Team Jorge“ hat offenbar jahrelang mit der Skandalfirma Cambridge Analytica kooperiert. In Nigeria waren beide offenbar im Präsidentschaftswahlkampf 2015 aktiv. Cambridge Analytica und ihr Chef Alexander Nix sorgten im Trump-Wahlkampf 2016 für einen Skandal. Ihr Missbrauch von Abermillionen Facebook-Kundendaten stürzte das Soziale Netzwerk in eine Krise. Die Firma wurde aufgelöst. Alexander Nix äußerte sich gegenüber den Journalisten zu „Team Jorge“ nicht. Und Tal Hanan? Der weist aktuell alle Vorwürfe zurück.

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