• Menschen feiern im Stadtzentrum von Amsterdam.
  • Foto: picture alliance/dpa/AP | Peter Dejong

Niederlande: Infektionen gehen stark zurück – so gelang die Corona-Kehrtwende

Anfang Juli explodierten die Corona-Infektionszahlen in den Niederlanden. Dann zog die Regierung die Notbremse. Mit Erfolg. Doch zum Aufatmen ist es zu früh.

Dicht an dicht sitzen die Leute an den Amsterdamer Grachten in der Sonne. Küsschen zur Begrüßung, kaum einer hält Abstand, keiner trägt Maske. Dabei liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei knapp 117! Allerdings: Das Wort Inzidenz kennt bei unseren Nachbarn kaum einer. Fragt man einen Niederländer danach, hört man höchstens: „Wat is dat?“

Nur noch wenige Corona-Regeln in den Niederlanden

Tatsächlich gehen die Neuinfektionen seit Kurzem überall stark zurück – und das ohne Lockdown.  Nur ein paar Regeln gibt es: Maskenpflicht in Bus und Bahn, Auflagen für Museen, Theater und Kinos sowie andere Veranstaltungen. Und doch gelang es, das Virus einzudämmen. Wie ist das möglich?

Vor etwa vier Wochen waren Premier Mark Rutte und Gesundheitsminister Hugo de Jonge zerknirscht vor die Kameras getreten und hatten sich entschuldigt. Sie hätten mit der Lockerung fast aller Corona-Regeln Ende Juni einen „Einschätzungsfehler“ gemacht. Das war leicht untertrieben – und folgenschwer: Kaum öffneten Diskos und Clubs, explodierten die Zahlen um bis zu 500 Prozent, bei Jugendlichen von 18 bis 24 sogar um 850 Prozent. Fast 40 Prozent aller Fälle gingen auf das Nachtleben zurück. Die Regierung zog die Notbremse: Alle Läden müssen nun um Mitternacht schließen.

Niederlande: Impfquote ist an rückläufigem Trend beteiligt

Und das war der Hauptgrund für die Trendwende, analysiert das Institut für Gesundheit und Umwelt RIVM. Zuletzt wurden in einer Woche 44 Prozent weniger Infektionen als in der Vorwoche registriert, davon erfolgten weniger als vier Prozent in Gaststätten. Auch die Zahl der Covid-Patienten im Krankenhaus stabilisiert sich.

Der zweite Grund für den rückläufigen Trend: die gute Impfquote. 21,3 Millionen Impfdosen wurden im Land mit 17 Millionen Einwohnern bisher gespritzt. Etwa zwei Drittel der Erwachsenen ist völlig geimpft, und mehr als 85 Prozent haben zumindest eine Dosis erhalten. „Das sind an sich positive Zahlen“, sagt Ministerpräsident Rutte. Und doch will er noch keine Entwarnung geben.

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„Im Vergleich zu unseren Nachbarländern, wie etwa Deutschland, ist die Zahl der positiven Tests noch viel zu hoch“, so Rutte. Und dann müssen die Niederländer ja auch noch aus dem Urlaub zurück kommen. Schon jetzt gehen etwa zehn Prozent der Infektionen aufs Konto von Heimkehrern – und die Ferien sind noch nicht zu Ende!

Am 13. August will die Regierung entscheiden, wie es weitergeht. Dürfen Bars und Clubs wieder öffnen? Und was ist Festivals oder Fußballspielen? Fehler kann sich Premier Rutte nicht mehr erlauben. Immer mehr Bürger wollen Klarheit. Eine Mehrheit sprach sich jetzt in einer Umfrage dafür aus, Maßnahmen nur vorsichtig zu lockern. Und jeder dritte will sogar erneut eine Masken-Pflicht. (mik/dpa)

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