Nicht „durchrauschen“ lassen: Warum Sie alles tun sollten, Omikron nicht zu kriegen
Der US-Corona-Experte Anthony Fauci ist überzeugt: Früher oder später wird das hochansteckende Omikron wohl jeden erwischen. Einfach „durchrauschen“ lassen sollte man die Mutation trotzdem auf keinen Fall, warnen Experten. In der MOPO erklären sie, warum wir alle weiter alles tun sollten, ihr aus dem Weg zu gehen.
„In der Tat wird Omikron wohl über kurz oder lang jeden von uns finden“: Prof. Dr. Stefan Kluge, Chefarzt der Intensivmedizin am Hamburger UKE, teilt Faucis Einschätzung. Auch Geimpfte werden sich infizieren, genau wie Genesene. Aber die Infektion mit Omikron lässt sich hinauszögern – was aus verschiedenen Gründen wichtig ist, wie Kluge und Dr. Andrea Thorn, Physikerin und Strukturbiologin an der Uni Hamburg, erklären.
Der US-Corona-Experte Anthony Fauci ist überzeugt: Früher oder später wird das hochansteckende Omikron wohl jeden erwischen. Einfach „durchrauschen“ lassen sollte man die Mutation trotzdem auf keinen Fall, warnen Experten. In der MOPO erklären sie, warum wir alle weiter alles tun sollten, ihr aus dem Weg zu gehen.
Er ist der wichtigste Corona-Experte in den USA: Immunologe Anthony Fauci lag mit seinen Einschätzungen zur Pandemie so gut wie immer richtig. Er sagt nun: Bis wir alle uns infizieren, dürfte es wohl nur noch eine Frage der Zeit sein – Omikron sei Dank. Weil die Mutante beispiellos ansteckend sei „wird Omikron letztlich fast jeden finden“, so der 81-Jährige am Dienstag. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte am gleichen Tag mit einer Hochrechnung davor, dass sich in rund acht Wochen schon über die Hälfte der Menschen in Europa mit der Virusmutation infiziert haben könnten.
Tatsächlich ist Omikron so ansteckend, dass sich vermutlich auch Geimpfte infizieren werden – allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Wer gepikst ist, erkrankt mit ziemlicher Sicherheit nicht so heftig, muss entsprechend wahrscheinlich nicht ins Krankenhaus und auch nicht sterben, wie Fauci im Gespräch mit dem Thinktank CSIS klarstellte. Am schlimmsten werde es jene treffen, die immer noch nicht geimpft seien.
Kann man eine Infektion mit Omikron überhaupt vermeiden – und wenn ja: wie?
Für immer aus dem Weg gehen kann man Omikron vermutlich nicht, da sind sich Expertinnen und Experten einig. So sagt etwa der Chefarzt der Intensivmedizin am Hamburger UKE, Prof. Dr. Stefan Kluge, im MOPO-Interview: „In der Tat wird Omikron wohl über kurz oder lang jeden von uns finden.“

Aber die Infektion mit Omikron lässt sich hinauszögern – was aus verschiedenen Gründen (s. u.) wichtig wäre. Dabei helfen die üblichen Mittel: Maske, Abstand, Hygiene.
Tatsächlich seien diese nicht nur wichtig, um eine Infektion zu verhindern, sondern auch um einen leichteren Krankheitsverlauf zu haben, wenn man sich dann doch angesteckt hat, erklärt Dr. Andrea Thorn, Physikerin und Strukturbiologin an der Uni Hamburg: „Die Schwere des Krankheitsverlaufs und die Virus-,Dosis‘ bei einer Infektion korrelieren.“ Bedeutet: Je weniger Viruspartikel man bei einer Infektion abbekommt – zum Beispiel, in dem man eine Maske trägt –, desto besser ist es.
Selbst „milde“ Verläufe sind nicht harmlos – und es droht Long Covid
Denn: Eine Infektion mit Omikron ist eben immer noch eine Infektion mit Corona, einer potenziell tödlichen Krankheit. Das betont auch Thorn: „Selbst ,milde‘ Verläufe können zu langen Arbeitsausfällen und Leid führen.“
Schuld daran ist Long Covid, also das Krankheitsbild der Spätfolgen einer Corona-Infektion. „Wir wissen, dass bei Delta bis zu fünfzehn Prozent der Erkrankten Long Covid ausbilden“, erklärt Kluge. Bei Omikron wisse man das aber nicht, „dazu fehlen uns noch die Daten. Es gibt diese Variante ja erst seit ein paar Wochen“, so Kluge.
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Über Long Covid werde generell noch viel zu wenig geredet, bemängelt Kluge: „Mir macht schon ein bisschen Sorge, dass das Thema derzeit bei der Einschätzung der Corona-Lage oft ausgeblendet wird. Es gibt Patienten, die lagen nie auf einer Intensivstation und haben trotzdem Long-Covid-Symptome, zum Beispiel Geschmacksstörungen, oder Kurzatmigkeit, Erschöpfungszustände. Die kommen auch nach ihrer Genesung kaum mehr die Treppe hoch“, berichtet der Intensivmediziner.
Omikron: Jede/r Infizierte kann andere anstecken
Selbst wenn man selbst das Glück hat, durch (Booster-)Impfschutz nur leicht zu erkranken: Jede Ansteckung ist Teil einer Infektionskette. Bedeutet: Jeder und jede Infizierte kann wiederum neue Ansteckungen und weitere potenzielle Todesfälle auslösen. Und auch wenn ein Großteil der Menschen hierzulande schon doppelt geimpft und teils sogar schon geboostert ist – immer noch sind Millionen nicht gepikst, viele davon in der Risikogruppe 60+.
Manche von ihnen, weil sie nicht geimpft werden wollen, andere weil sie aufgrund von Vorerkrankungen, Alter etc. nicht geimpft werden können. Wieder andere sind zwar geimpft und geboostert, aber der Impfschutz hat bereits nachgelassen. Darauf weist auch Thorn hin: So seien etwa immunsupprimierte Menschen eine besonders vulnerable Gruppe, die es zu schützen gelte. Das sei aber „mit Omikron schwieriger als es zuvor schon war“, so Thorn – eben aufgrund der extrem hohen Infektiösität.
Es wächst der Druck auf die Kliniken
Viele Infizierte bedeutet aber auch: Der Druck auf unser Gesundheitssystem, insbesondere die Krankenhäuser, wächst. Breitet sich Omikron weiter so schnell aus wie im Moment, werde das „in Deutschland massive Probleme verursachen“, so UKE-Intensivmediziner Kluge.
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Nicht nur aufgrund der Menge an Covid-Patienten in Behandlung, sondern auch weil sich auch Mediziner:innen und Pflegekräfte anstecken und ausfallen dürften. „Wenn wir diese Infektionswelle mit Omikron ungehindert laufen lassen, dann würde das auch in unserem Gesundheitssystem zu großen Schwierigkeiten führen“, erklärt Kluge. Er appelliert: „Deshalb sollte man als Einzelne/r schon vermeiden, sich mit Omikron zu infizieren.“
Wir brauchen Zeit für Forschung
Nicht nur für die Ärztinnen, Ärzte, Pflegekräfte und Rettungssanitäter:innen wäre eine zeitlich versetzte Massen-Infektion wichtig – sondern auch für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die das Coronavirus und mögliche Therapiemöglichkeiten erforschen. „Mit jedem Monat sind wir besser gewappnet, Covid-19 und Long Covid medizinisch etwas entgegenzusetzen“, so Thorn zur MOPO. Bedeutet: Je später man sich infiziert, desto höher sind die Chancen auf eine bessere Behandlung.

Das unterstreicht auch der US-Virus-Experte Michel Nussenzweig von der Rockefeller University. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters erklärt er: „Warum man lieber später als früher Corona bekommen sollte? Weil wir später bessere Impfstoffe sowie bessere und mehr verfügbare Medikamente haben werden.“
Je mehr Infektionen, desto höher das Risiko für neue Mutationen
Die Vergangenheit hat gezeigt: Das Coronavirus ist unberechenbar. Es mutiert immer weiter und bildet so Varianten wie Omikron aus, die das Ende der Pandemie in weite Ferne rücken lassen. Das betont auch David Ho, Professor für Mikrobiologie und Immunologie an der Columbia University, im Reuters-Interview: „SARS-CoV-2 hat uns in den letzten zwei Jahren in vielerlei Hinsicht überrascht, und wir haben keine Möglichkeit, den evolutionären Verlauf dieses Virus vorherzusagen.“
Was dagegen klar ist: Das Risiko für Mutationen steigt immer dann, wenn das Virus weitgehend ungehindert zirkulieren kann – auch daher ist die Infektionsvermeidung weiter sinnvoll.