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Reutlingen Razzia
  • Einsatzkräfte bei der Reichsbürger-Razzia in Reutlingen am Mittwoch.
  • Foto: picture alliance/dpa | Julian Rettig

Schuss bei „Reichsbürger“-Razzia: Welche politischen Konsequenzen hat der Vorfall?

Die Schüsse auf einen Polizisten bei einer Razzia im „Reichsbürger“-Milieu hat die Politik alarmiert – und der Diskussion um ein schärferes Waffenecht erneut Aufwind gegeben. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) warnte vor „gefährlichen Extremisten“. Wie schon bei der gigantischen Reichsbürger-Razzia im Dezember wird klar: Das Milieu besteht längst nicht mehr aus harmlosen Spinnern.

22 Waffen soll der mutmaßliche „Reichsbürger“, der am Mittwoch in Reutlingen auf einen SEK-Polizisten geschossen hat, legal besessen haben. Von einem „beachtlichen, erschreckenden und perversen Waffenarsenal“ im Haus des Mannes, der mittlerweile in U-Haft sitzt, sprach Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU). „Das, was ich dort gesehen habe, braucht wirklich kein Mensch“, so der Politiker nach der eskalierten Durchsuchung.

„Reichsbürger“-Razzia in Reutlingen: Diskussion um Waffenrecht

Er drängte auf eine rasche Verschärfung des Waffenrechts durch den Bund. Es sei höchste Zeit, dass das, was man in der Innenministerkonferenz im Dezember besprochen habe, umgesetzt werde. Der Bundesgesetzgeber müsse wirklich in die Gänge kommen und einen Gesetzentwurf vorlegen. Dass sich bald in Sachen Waffenrecht in Deutschland etwas bewegt, erscheint nun immer drängender. Innenministerin Faeser hatte nach der Amoktat in Alsterdorf mit acht Toten bereits angekündigt, das Waffenrecht zu verschärfen. Ihr Vorhaben: ein Verbot von kriegswaffenähnlichen, halbautomatischen Langwaffen für Privatleute. Und jeder, der eine Erlaubnis zum Besitz einer Waffe beantragt, soll zudem künftig seine psychische Gesundheit nachweisen. Das ist bisher nur für junge Menschen bis 25 Jahre vorgeschrieben.

Laut Verfassungsschutz mache vor allem der Hang zu Waffen die „Reichsbürger“-Szene, die die Bundesrepublik nicht als Staat anerkennen, so gefährlich. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Reichsbürger griffen immer wieder zur Waffe – und töteten sogar. Unter anderem erschoss ein Reichsbürger 2016 einen Polizisten in Mittelfranken. 2019 wurde der Reichsbürger und frühere „Miss Germany“ Adrian Ursache zu sieben Jahren Haft wegen versuchten Mordes verurteilt. Eine angekündigte Zwangsräumung seines Grundstücks 2016 war aus dem Ruder gelaufen, Ursache schoss auf einen Polizisten.

Faeser: „Keine harmlosen Spinner“

Generalbundesanwalt Peter Frank sagte, das Milieu sei nicht mehr dasselbe wie vor zehn Jahren. Während Mitglieder früher vor allem keine Steuern gezahlt oder versucht hätten, Gerichtstermine zu boykottieren, habe die Vernetzung und die Gewalttätigkeit mittlerweile zugenommen. Man beobachte auch einen stärkeren Zusammenschluss, so Franke. Und auch Faeser sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) nach der Razzia in Reutlingen: „Wir haben es nicht mit harmlosen Spinnern zu tun, sondern mit gefährlichen Extremisten, die von gewaltsamen Umsturzfantasien getrieben sind und viele Waffen besitzen.“

Insgesamt hatte es am Mittwoch Durchsuchungen in acht deutschen Bundesländern und der Schweiz gegeben. Gegen die Beschuldigten besteht unter anderem der Verdacht der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Die Einsätze standen in Zusammenhang mit der Großrazzia Anfang Dezember, bei der unter anderem der Unternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß, auch bekannt geworden unter dem Namen „Prinz Putsch“, festgenommen wurde. Damals waren 3000 Polizisten im Einsatz, es hatte 25 Festnahmen gegeben. Die Ermittler sprachen vom „größten Umsturzversuch rechter Demokratiefeinde.“

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Besonders im Visier: „Prinz Putsch“ und sein Netzwerk. Was sich damals besonders offenbarte: die kruden und konkreten Pläne der Szene. Prinz Reuß sollte nach einem Putsch als Staatsoberhaupt Deutschlands fungieren, ein von ihm eingesetzter „Rat“ als Regierung und die neue Armee sollte aus 286 regionalen Bataillonen bestehen. Auch damals hatten Behörden mehr als 90 Waffen und mehrere tausend Schuss Munition beschlagnahmt. (alp)

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