x
x
x
Telefonat
  • Leider erreichte Andreas Rausch die Intensivschwester mit der Nummer 0160-1234567890 nicht.
  • Foto: picture alliance/dpa/dpa-tmn | Christin Klose

„Kein Anschluss unter dieser Nummer“: Journalist entlarvt Querdenker-Fake-Kampagne

„Krass!“ Das sei seine erste Reaktion gewesen, gibt der Journalist Andreas Rausch vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) zu. 126 Stellengesuche von Ungeimpften aus dem Gesundheitswesen in einem Anzeigenblatt aus Bautzen – könnte da nicht wirklich die Pflege erheblichen Schaden nehmen aufgrund der ab dem 16. März geltenden einrichtungsbezogenen Impfpflicht? Rausch greift zum Hörer und ruft die Suchenden an. Nach einigen Anrufen wird er stutzig … Da geht ja überall keiner ran. Binnen einer Stunde entlarvt er das Ganze als Fake-Kampagne.

Erst am Samstag waren wieder „Querdenker“ in Stuttgart vor ein SWR-Gebäude gezogen und hatten Parolen skandiert. Das Motto der Veranstaltung: „Lügenpresse“. Das altbekannte Narrativ: Journalist:innen, erst recht solche vom Öffentlich-Rechtlichen, verbreiten Fake News, zur Zeit zu Corona. Und zwar weil … Ja, warum eigentlich? Weil irgendjemand „da oben“ es ihnen befiehlt, vermutlich. Zu anderen Zeiten oder in anderen Ländern mag da was dran sein, wer weiß. In der MOPO-Redaktion jedenfalls ruft niemand an, um eine Impf-Agenda durchzusetzen.

RBB-Journalist Rausch recherchiert zur Pflege

Auch Andreas Rausch wollte zunächst Argumente für die Impfskeptiker:innen finden, ruft bei den Nummern der Umgeimpften-Stellenanzeigen an. Schließlich wird seit Tagen diskutiert, wie sich die sogenannte „sektorale“ Impfpflicht, also die in bestimmten Einrichtungen, negativ auf die Pflege auswirken könnte. Ungeimpfte Mitarbeitende könnten sich tatsächlich abwenden. Auch Markus Söder (CSU) sagte am Wochenende: Er hätte deswegen die sektorale nicht vor einer allgemeinen Impfpflicht eingeführt.

Doch nach schon wenigen Anrufen, so schreibt Rausch auf Twitter, kommt er ins Nachdenken: Die Hebamme, die auch „artfremde“ Tätigkeiten annehmen würde – Nummer nicht vergeben. Das Gleiche bei der Schwester mit 29 Jahren Berufserfahrung oder dem Rettungssanitäter, der auch noch die gleiche Nummer wie die 34-jährige Physiotherapeutin hat! Sogar bei der Intensivschwester mit der fantasievollen Nummer 0160 1234567890 versucht er es.

Als Rausch nach der Schwester fragt, wird aufgelegt

Einmal erreicht er sogar jemanden. Bei einer „examinierten Krankenschwester“ mit 40 durchgängigen Berufsjahren geht ein Mann ran. Als Rausch nach der Inserierenden fragt, legt der auf. Ansonsten: Nicht vergebene Nummern, langes erfolgloses Klingeln, manches Mal auch nur Chiffren. Unter anderem, weil er die nicht mehr überprüft, entscheidet er sich (noch) gegen einen Beitrag beim RBB. Er will die Not in der Pflege tatsächlich nicht klein reden.


Der Newswecker der MOPO MOPO
Der Newswecker der MOPO

Starten Sie bestens informiert in Ihren Tag: Der MOPO-Newswecker liefert Ihnen jeden Morgen um 7 Uhr die wichtigsten Meldungen des Tages aus Hamburg und dem Norden, vom HSV und dem FC St. Pauli direkt per Mail. Hier klicken und kostenlos abonnieren.


Fest steht: Nach einer Stunde Telefonieren hat es im Grunde kein Gespräch gegeben. Dann fällt ihm weiter vorne im Blatt noch ein Aufmacher auf: Der befasst sich mit der Situation der pflegenden Ungeimpften. Der Titel: „In der Sorge vereint“. Am Ende des Threads betont Rausch: Diese Sorge teile er ausdrücklich. Darum wolle er am Thema dran bleiben. Bei den Anzeigen in diesem Blatt indes liegt der Verdacht nahe, dass es sich um eine Fake-Kampagne handelt.

Lesen Sie auch: Zusätzlich zur Impfpflicht: Österreich versucht’s mit einer Milliarden-Lotterie

Die Demonstrierenden in Stuttgart und anderswo werden das alles vermutlich ignorieren oder abtun. Und weiter ihren „Lügenpresse“-Mythos pflegen. Dass der, als er Mitte des 19. Jahrhunderts entstand, klar antisemitisch besetzt war und der prominenteste Vertreter dieser Erzählung bisher Joseph Goebbels war – auch das dürfte die meisten nicht interessieren. (km)

Richtigstellung: In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass Geschäftsführer der Verlagsgesellschaft des Bautzner Anzeigers Frank Peschel von der AfD-Fraktion im sächsischen Landtag sei. Tatsächlich ist Peschel aber Inhaber des Online-Portals Bautzener Bote. Wir bitten Sie, diesen Fehler zu entschuldigen.

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp