• Restaurants und Bars in Madrid sind derzeit gut besucht – auch von Touristen.
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Kaum Maßnahmen: Madrid ist Corona-Hotspot – und erlebt Touri-Ansturm

Madrid –

Corona-Hotspot Madrid: Die spanische Hauptstadt hat die höchsten Infektionszahlen des Landes, aber auch die lockersten Regelungen. Das zieht coronamüde Touristen an. Viele wähnen sich im Paradies – und ahnen nicht, dass sie ein großes Risiko eingehen.

Für den Weg ins Paradies benötigte Julie nur eine Stunde und 15 Minuten. So lange dauerte der Flug von ihrer Heimatstadt Toulouse in Frankreich nach Madrid. „Hier können wir endlich wieder wirklich leben und Fröhlichkeit tanken, das ist paradiesisch“, sagt die 23-Jährige in einer Bar im Madrider Stadtteil Chamberí mit einem breiten Lächeln im Gesicht.

Freundin Anne nickt zustimmend. Auch Adrien ist gekommen, mit dem Auto und drei Kumpels im Schlepptau. Er schimpft auf die Zustände daheim: „Klar, man muss auf dieses verdammte Virus aufpassen. Aber ohne soziale Kontakte kann man doch nicht leben.“

Coronamüde Europäer zieht es derzeit nach Madrid

Man sieht und hört sie dieser Tage nicht nur in Chamberí, sondern fast überall in Madrid: coronamüde Europäer, die zu Tausenden hier herströmen, um der Tristesse und den Einschränkungen in der Heimat zu entkommen. Denn während andernorts Lockdown herrscht, sind in Madrid Restaurants und Kneipen, Kinos, Museen und andere Freizeiteinrichtungen geöffnet – und gut gefüllt.

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Madrid ist eine „Party-Oase“ geworden, „eine Insel im Meer der Restriktionen in den europäischen Metropolen“, wie die Zeitung „El País“ schrieb. Und dem Lockruf erliegen vor allem Franzosen wie Julie, Anne und Adrien. Das stellen Medien und auch Gastwirte fest, die sich die Hände reiben. „Die Franzosen sorgen derzeit für die Hälfte unserer Einnahmen“, sagt Kellner José auf der Plaza Mayor.

Mehr Franzosen als Deutsche und Briten in Spanien

Schon im Januar haben die Franzosen die langjährigen Spitzenreiter der spanischen Besucherliste überholt. Mehr als 117.000 waren es laut Statistikbehörde INE – und nur gut 51.000 Deutsche sowie 23.000 Briten. Oft sind es Landsleute, die Reisen schon für 150 Euro organisieren. Flug, Unterkunft mit Vollpension – und oft auch eine (illegale) Party inklusive. Madrids Polizei teilte mit, man habe am Wochenende 442 illegale Feiern aufgelöst – eine Rekordzahl.

Während in Frankreich eine Ausgangssperre ab 18 Uhr gilt, muss man in Madrid erst um 23 Uhr wieder zu Hause sein. Und während andernorts in Europa über Verlängerungen und Verschärfungen von Restriktionen diskutiert wird, erwägt man in Madrid nun sogar eine Aufhebung des nächtlichen Ausgehverbots. „Das ist unser erstes Ziel für die nächsten Tage“, sagte Vize-Regionalpräsident Ignacio Aguado kürzlich.

Hohe Inzidenzzahl in Spaniens Hauptstadt

Aber wieso darf sich Madrid das alles leisten? Ist die Corona-Lage dort inzwischen so gut? „Ich kenne die Zahlen nicht, aber ich denke schon. Oder?“, sagt Julie. Nein – im Gegenteil. Mit 120 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen steht Madrid so schlecht da wie keine andere der 17 „autonomen Gemeinschaften“ Spaniens. Auch viele französische Städte haben niedrigere Zahlen. Und in Deutschland ist die Lage nur in Thüringen ähnlich schlecht.

In Madrid, wo Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso derweil zur Heldin der Gastronomen, Unternehmer und des Partyvolks avanciert, sieht man das aus einer anderen Perspektive. Mit dem soften Kurs habe man die Sieben-Tage-Inzidenz, die Ende Januar noch bei deutlich über 400 lag, schnell runtergedrückt, ohne ein derart schlimmes Ladensterben wie in anderen Regionen Spaniens erleiden zu müssen. In Madrid werde man den liberalen Kurs daher fortsetzen, „denn ohne Jobs keine Zukunft“, so die 42-jährige.

Madrids Kurs sorgt für Neid und Missgunst

Doch Díaz Ayuso sorgt mit ihrem Kurs nicht nur für Begeisterung – sondern auch für Neid und Missgunst. Denn obwohl sie weit bessere Zahlen als Madrid haben, leiden die Regionen Valencia, Murcia oder die Balearen mit Mallorca (die alle Sieben-Tage-Inzidenzen von 30 bis 35 haben) unter dem Lockdown oder zum Teil auch regionalen Absperrungen. Nur mit triftigem Grund darf man dort dann ein- oder ausreisen. „Toll – die Franzosen machen Highlife in Madrid, und viele Spanier dürfen Verwandte monatelang nicht sehen“, kommentierte etwa Userin Bea auf Twitter.

Dass die Nerven in Corona-Zeiten besonders angespannt sind, wissen auch Julie und ihre Freunde. Schüchtern werden sie nur, als sie nach einem Foto gefragt werden. „Für einen Zeitungsbericht? Lieber nicht. Wir wollen daheim nicht als böse Lockdown-Brecher geoutet werden.“ (mik/dpa)

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