Justizskandal in Bayern? Dieser Mann saß wohl fast 14 Jahre unschuldig im Gefängnis
Jetzt beginnt alles nochmal von vorne: Manfred Genditzki saß 13 Jahre hinter Gittern – wegen eines Mordes, den er höchstwahrscheinlich nicht begangen hat. Nun wird der „Badewannen-Mord“ in München neu aufgerollt und für den Ex-Häftling könnte am Ende endlich die endgültige Freiheit warten. Aber wie konnte es überhaupt so weit kommen?
„Wir rechnen mit einem Freispruch“, sagte Genditzkis Verteidigerin Regina Rick am Mittwoch nach Beginn des Wiederaufnahmeverfahrens. „Er saß 13 Jahre und sieben Monate unschuldig im Gefängnis“, so die Juristin weiter. Bis Anfang Juli soll es nun erneut darum gehen, ob der heute 62-Jährige 2008 eine Seniorin in der Badewanne ertränkt hat. Es ist bereits die dritte Wiederaufnahme eines Falls, der wohl am Ende als Justizskandal in die Geschichtsbücher eingehen dürfte.
Rückblick: Der 62-Jährige, der in der Wohnanlage der Getöteten als Hausmeister tätig war und zu ihr ein enges, fast familiäres Verhältnis hatte, war 2010 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Im ersten Prozess hieß es, er habe die Rentnerin bewusstlos geschlagen und anschließend ertränkt, weil er aus ihrer Geldkassette 8000 Euro entwendet habe und sie ihm auf die Schliche gekommen sei.
Manfred Genditzki saß wohl fast 14 Jahre unschuldig im Gefängnis
Nachdem das Motiv der Habgier jedoch ausgeräumt wurde, konstruierte die Staatsanwaltschaft ein neues Motiv: Die alte Dame sei eifersüchtig gewesen, weil sich der Hausmeister verabschiedet habe, um seine kranke Mutter zu besuchen. Deshalb habe es Streit gegeben. Das Landgericht übernahm diese Version, Genditzki wurde verurteilt. Für Juristin Rick ein Skandal: „Nachdem einem die ganze Anklage wegbricht, einen Streit zu erfinden, für den es nicht den mindesten Anhaltspunkt gibt, das finde ich skandalös.“
Nachdem sein damaliger Verteidiger Revision eingelegt hatte, kam es auch in einem zweiten Prozess zum Schuldspruch. Seit 2012 war das Urteil rechtskräftig, seither hat Genditzki für eine Wiederaufnahme seines Verfahrens gekämpft, Spenden gesammelt und mit dem Geld neue Gutachten in Auftrag gegeben.
Im vergangenen Jahr dann hatte er Erfolg: Das Oberlandesgericht München (OLG) gab dem Antrag auf Wiederaufnahme statt und ordnete die Entlassung Genditzkis aus der Haft an – nach 4.912 Tagen. Genditzki und seine Anwältin wollen in dem neuen Prozess nun ein für alle Mal beweisen, dass er die Seniorin nicht getötet hat. Sie gehen von einem Unfall der alten Dame aus, als diese Wäsche einweichen wollte. Beweisen soll das vor allem ein sogenanntes thermodynamisches Gutachten. Demnach starb die ältere Frau deutlich später, als bis dahin angenommen.
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Für den mutmaßlich zu Unrecht verurteilten Genditzki könnte ein Freispruch am Ende des aktuellen Prozess endlich die lang ersehnte Freiheit bedeuten. Bereits seit August ist er auf freiem Fuß und tastet sich in seinem neuen, alten Leben vorsichtig zurecht. Wie er in einem „Spiegel“-Interview erzählte, arbeitet er für eine Naturkäserei als Fahrer und lernt nun auch seine Kinder zum ersten Mal richtig kennen – beide sind bereits Teenager. Als Genditzki verhaftet wurde, war sein Sohn klein und seine Frau mit dem zweiten Kind schwanger.
„Ich habe nie aufgegeben“, sagt er rückblickend. Der Beistand seiner Familie, die vielen Briefe von Fremden und die Spenden von Unterstützern haben ihn dabei jahrelang unterstützt. Sollte der 62-Jährige freigesprochen werden, stehen ihm 75 Euro Entschädigung für jeden Tag im Gefängnis zu, bei der langen Haftzeit wären das fast 370.000 Euro.