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Nicht viel los: Besucher im im Þingvellir-Nationalpark auf Island.
  • Nicht viel los: Besucher im im Þingvellir-Nationalpark auf Island.
  • Foto: imago/Seeliger

Inzidenz-Explosion! Das Corona-Rätsel von Pandemie-Streber Island

Während man in Deutschland noch darüber stritt, ob und wie sich eine Corona-Warn-App aufsetzen lasse, gehörte sie in Island längst zum Alltag der Menschen. Der Inselstaat im Nordatlantik galt auch sonst als Vorbild im Kampf gegen die Pandemie, bekam die Corona-Lage schnell in den Griff. Insgesamt starben dort bisher nur 30 Menschen an Covid-19. Noch im Frühsommer lag die Inzidenz wochenlang bei 0. Nun jedoch steigt sie rasend schnell in schwindelerregende Höhen – was ist da los?

Es war Island, das im Frühjahr 2020 merkte: Corona ist nicht nur ein Problem im weit entfernten Asien. Nachdem mehrere Reiserückkehrer aus Tirol eindeutige Symptome aufwiesen, schlugen die isländischen Behörden Alarm. Schnell war klar: Die Menschen hatten sich beim Skifahren im österreichischen Ischgl mit dem Virus angesteckt. Was zunächst noch verharmlost und teils sogar geleugnet wurde, war irgendwann nicht mehr wegzudiskutieren: Corona ist in Europa auf dem Vormarsch – und wohl nicht mehr aufzuhalten.

Schnelles und konsequentes Handeln zeichnete Island auch im weiteren Verlauf der Pandemie aus: Nachdem klar war, dass die Skiurlaub-Rückkehrer das Virus eingeschleppt hatten, gab es sofort drastische Maßnahmen wie Quarantäne, Massentests, Schul- und Unischließungen sowie Versammelungsverbote. Zudem ließ sich das Land aufgrund seiner Insellage auch geographisch gut abriegeln und Einreisen leichter kontrollieren.

Blick auf Reykjavik IMAGO / Nature Picture Library
Blick auf Reykjavik
Auch in Reykjavik gelten jetzt wieder strengere Corona-Regeln.

Dennoch stieg die Sieben-Tage-Inzidenz im Frühjahr 2020 auf zwischenzeitlich 150, flachte jedoch ab Mai und den ganzen Sommer über wochenlang auf 0 ab. Im Herbst gab es eine weitere Welle mit Inzidenz-Werten von knapp 180, doch seit Ende November wurde die 50er-Marke nie mehr überschritten. Bis jetzt.

Sieben-Tage-Inzidenz in Island ist fast eine senkrechte Gerade

Tatsächlich kann man beim Blick auf die aktuelle Inzidenz gar nicht mehr von Kurve sprechen, sondern eher eine senkrechte Gerade. Der Wert sprang innerhalb von nicht einmal zwei Wochen von rund 12 (Mitte Juli) auf knapp 238 am 1. August – eine Verneunzehnfachung! Wie kommt dieser krasse Anstieg zustande?

Zuletzt verzeichnete der Inselstaat im Nordatlantik fünf Tage in Folge immer jeweils mehr als 100 Neuinfektionen pro Tag. Was im ersten Moment nicht nach sonderlich viel klingen mag, ist für Island eine Menge. Auf der ganzen Insel wohnen gerade einmal rund 360.000 Einwohner – ein Fünftel der Bevölkerung Hamburgs. Einen Tag mit mehr als 100 Corona-Neuinfektionen hatte es auf Island nach Angaben des Rundfunksenders RÚV zuvor überhaupt erst zweimal gegeben, nämlich jeweils einmal im März und Oktober 2020.

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An den hohen Werten ist – wie in weiten Teilen der Welt – die zunehmende Ausbreitung der aggressiven Delta-Variante mit Schuld. Fast 350 Infektionen mit der gefährlichen Mutation wurden inzwischen bestätigt, der größte Teil der Betroffenen ist geimpft, berichtet die „Tagesschau“. Rund Dreiviertel der Isländerinnen und Isländer ist bereits vollständig geimpft. Dass Delta den Immunisierungsschutz teilweise umgehen kann, ist schon länger bekannt.

Aber: „Wir können uns glücklich schätzen, denn obwohl die Fälle zunehmen, sehen wir immer noch keine ernsthaften Krankheiten“, sagte Premierministerin Katrin Jakobsdottir jüngst. „Wir glauben jedoch immer noch, dass es sinnvoll ist, zu versuchen, die Zahl der Fälle zu senken.“

Corona-Regeln in Island wurden wieder verschärft

Gelingen soll das mit strengeren Eindämmungsmaßnahmen. Zuletzt waren nämlich alle Corona-Regeln aufgehoben worden – im Gegensatz zu Großbritannien wurde der „Freedom Day“ in Island allerdings nicht mit so viel Getöse und Brimborium gefeiert. Nach rund 15 Monaten Masketragen und Abstandhalten verkündete die Regierung, ab 26. Juni sei das alles hinfällig, schließlich habe es gut eine Woche lang keine einzige Neuinfektion gegeben.

Hunderte warten vor der Sporthalle Laugadalshöll in Reykjavik auf ihre Corona-Impfung. imago/Seeliger
Hunderte warten vor der Sporthalle Laugadalshöll in Reykjavik auf ihre Corona-Impfung.
Hunderte Menschen warten vor der Sporthalle Laugadalshöll in Reykjavik auf ihre Corona-Impfung.

Doch schon am 30. Juni, wenige Tage nach dem „Freedom Day“, gab es wieder Fälle. Vermutet wird, dass sie auf Passagiere eines Kreuzfahrtschiffes zurückgingen. Daher gilt seit Kurzem nun wieder: Kneipen und Clubs müssen ab Mitternacht schließen, bei Veranstaltungen sind höchstens 200 Teilnehmer erlaubt. Außerdem sollen die Menschen wieder mindestens einen Meter Abstand halten und in Innenräumen Mund-Nasen-Schutz tragen.

Testpflicht für alle bei Einreise – auch für Geimpfte!

Um zu verhindern, dass das Virus immer neu ins Land eingeschleppt wird, müssen zudem alle nach Island Einreisenden einen negativen Corona-Test vorweisen – unabhängig von ihrem Impf- oder Genensenenstatus. Die Entscheidung basiert auf einer Empfehlung von Chefepidemiologen Þórólfur Guðnason. Er hatte schon vor rund zehn Tagen gewarnt, das Land sei auf dem direkten Weg ins exponentielle Wachstum. „Ich denke, man kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass eine neue Welle begonnen hat“, sagte Guðnason der Nachrichtenseite „Visir“.

Immerhin eine isländische Corona-Kennzahl bleibt trotz der Inzidenz-Explosion weiter stabil: Es gibt keine neuen Todesfälle.

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