Nach einem Bombenfund wurden weite Teile der Kölner Innenstadt zu beiden Seiten des Rhein evakuiert.

Nach einem Bombenfund wurden weite Teile der Kölner Innenstadt zu beiden Seiten des Rheins evakuiert. Foto: picture alliance / Daniel Kubirski | Daniel Kubirski

Geisterstadt Köln: Größte Evakuierung seit 1945 sorgt für unwirkliche Szenen

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Unwirkliche Szenen in der viertgrößten Stadt Deutschlands: Alle Bewohner mussten aus dem Zentrum raus – der Zweite Weltkrieg wirkt nach. Am Ende geht alles schneller als erwartet.

Leer gefegte Straßen, geschlossene Geschäfte und eine verlassene RTL-Sendezentrale: Die Kölner City hat sich durch die größte Evakuierung seit 1945 in eine Geisterstadt verwandelt. Mehr als 20.000 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen. Am Abend wurden dann am Rheinufer im Stadtteil Deutz drei amerikanische Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft.

Gegen 19.19 Uhr hatten Spezialisten des Kampfmittel-Räumdienstes alle drei Bomben unschädlich gemacht – und damit schneller als erwartet: in nur rund einer statt der veranschlagten mindestens eineinhalb Stunden. Straßen und Brücken wurden nach und nach wieder freigegeben, die Anwohner konnten in ihre Wohnungen zurückkehren. Mit Verkehrsbehinderungen musste noch eine Weile gerechnet werden. 

Die Domplatte vor dem Kölner Dom lag in der Evakuierungszone. picture alliance/dpa | Christoph Reichwein
Die Domplatte vor dem Kölner Dom liegt in der Evakuierungszone und ist menschenleer
Die Domplatte vor dem Kölner Dom liegt in der Evakuierungszone und ist menschenleer

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker dankte allen Beteiligten, „die die größte Evakuierungsaktion in Köln seit 1945 so herausragend professionell durchgeführt haben“.

In einem 1000-Meter-Radius rund um die Fundstelle im Stadtteil Deutz hieß es zuvor: Alle müssen raus. Betroffen waren mehrere große Unternehmen, neun Schulen und 58 Hotels. In der Sperrzone lagen auch ein Krankenhaus, zwei Alten- und Pflegeheime, viele Museen und der Fernsehsender RTL. Auch der Bahnhof Köln-Messe/Deutz wurde gesperrt.

Krankenwagen fahren zum Eduardus-Krankenhaus in Köln-Deutz, um vor einer Bombenentschärfung das Hospital zu evakuieren. picture alliance/dpa | Henning Kaiser
Krankenwagen fahren zum Eduardus-Krankenhaus in Köln-Deutz, um vor einer Bombenentschärfung das Hospital zu evakuieren.
Krankenwagen fahren zum Eduardus-Krankenhaus in Köln-Deutz, um vor einer Bombenentschärfung das Hospital zu evakuieren.

Weil mit der Hohenzollernbrücke am Kölner Dom zudem die meistbefahrene deutsche Eisenbahnbrücke gesperrt wurde, kam der Bahnverkehr über den Rhein zum Kölner Hauptbahnhof zum Erliegen. 

Ein Verweigerer

Lediglich ein Bewohner in der Kölner Altstadt hatte sich geweigert, seine Wohnung zu verlassen und damit den Beginn der Entschärfung verzögert. Schließlich musste auch noch eine Person in Deutz in Sicherheit gebracht werden.

Menschen warten in der Anlaufstelle der Stadt Köln in einer Messehalle auf da Ende der Bombenentschärfung. picture alliance/dpa | Henning Kaiser
Menschen warten in der Anlaufstelle der Stadt Köln in einer Messehalle auf da Ende der Bombenentschärfung.
Menschen warten in der Anlaufstelle der Stadt Köln in einer Messehalle auf da Ende der Bombenentschärfung.

Zuvor waren die Evakuierungsmaßnahmen nach Plan verlaufen. Auch drei zentrale Brücken wurden für den Verkehr gesperrt. Dann sollten sich in der gesamten Evakuierungszone nur noch zwei Experten der Kampfmittelbeseitigung aufhalten.

Die am dichtesten besiedelte Innenstadt Europas leert sich

Seit dem Morgen wurden Straßensperren rund um den Sperrbezirk errichtet. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordnungsamtes gingen umher und checkten, ob wirklich alles leer ist. Straße für Straße, Haus um Haus. Ein ganzes Stück Arbeit, denn die Kölner Innenstadt ist laut Ralf Mayer, Leiter des Ordnungsamtes, die am dichtesten besiedelte in ganz Europa.

Die Feuerwehr setzte erstmals testweise eine Drohne mit Kamera ein, um zu beobachten, ob sich Menschen in der Evakuierungszone aufhalten. Die Drohne sei auch mit Wärmebildkamera und einem Lautsprecher ausgestattet, sagte ein Sprecher.



Der Fernsehsender RTL sendete vorübergehend aus dem Außenbezirk Köln-Ossendorf und aus Berlin. Die Lanxess-Arena musste einen Auftritt des Komikers Tedros „Teddy“ Teclebrhan auf Sonntag verlegen, ein Konzert des WDR-Sinfonieorchesters in der Philharmonie wurde abgesagt.

Paare, die im Historischen Rathaus heiraten wollten, mussten ihre Hochzeit immerhin nicht absagen – allerdings findet die Trauung nun im wenig glamourösen Porz statt. Standesbeamtin Manuela Beilmann weiß den Paaren den neuen Ort jedoch schmackhaft zu machen: „Hier ist der einzige Trauort, an dem sie direkt am Rhein heiraten können – mit Blick auf den Dom“, schwärmt sie im WDR.

Endlich mal keine Parkplatznot

8 Uhr, Stadtteil Deutz: Ausnahmsweise herrscht in dem rechtsrheinischen Viertel mal keine Parkplatznot. Viele Bewohner sind zu Familien oder Freunden außerhalb der Sperrzone gefahren – oft mit Notfallgepäck im Kofferraum, denn wann sie wieder in ihre Wohnungen zurückdürfen, kann ihnen niemand sagen. „Mein Mann fährt zur Arbeit, unser Sohn geht nach der Schule zu Freunden, und ich fahre zu meinen Eltern“, sagt eine Deutzerin, die gerade die Haustür hinter sich zuzieht. „Wenn es nicht anders geht, können wir da auch jeweils übernachten.“

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An Laternenpfosten weisen Schilder den Weg zu Sammelplätzen, von denen ein Shuttle Service Personen, die nicht anderswo unterkommen können, zu Sammelstellen bringt. In sozialen Medien werben einige Lokale in der Nähe speziell um Menschen, die nicht nach Hause können: „Kaffeemaschine ist an und Homeoffice könnt ihr auch bei uns machen», schreibt ein Café-Besitzer. Ein Kleingartenbesitzer bietet „einen Ort zum Verweilen, auch mit Hund“ an. 

Die Sperrung des Zentrums der viertgrößten Stadt Deutschlands mit insgesamt 1,1 Millionen Einwohnern strahlt weit ins Umland aus. Der Hauptbahnhof befindet sich zwar nicht im Evakuierungsbereich, wurde aber mit der Sperrung der Hohenzollernbrücke vorübergehend zum Kopfbahnhof. Auch die Schifffahrt auf dem Rhein musste vorübergehend pausieren. 

In NRW werden jährlich 2000 Bomben gefunden

So wirkt der Zweite Weltkrieg auch nach über 80 Jahren immer noch in den Alltag hinein. In ganz Nordrhein-Westfalen würden pro Jahr 1.500 bis 2000 Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden, von den großen Kalibern so wie jetzt in Köln etwa 200 pro Jahr, sagte Kai Kulschewski, Dezernent für Kampfmittelbeseitigung bei der Bezirksregierung Düsseldorf, im WDR-„Morgenecho“.

Köln gehörte zu den am stärksten bombardierten Städten des Zweiten Weltkriegs. Der einsame schwarze Dom inmitten einer kompletten Trümmerwüste wurde weit über die Stadt hinaus zum Symbolbild für die Zerstörungen des Krieges. Und so ist es an diesem Tag vermutlich emotional nicht unwichtig für die Kölnerinnen und Kölner, dass ihr geliebter Dom ganz knapp außerhalb der Sperrzone liegt. Touristen und Einwohner konnten dort weiterhin ein Kerzchen anzünden.

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