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Eine Bewohnerin im Rollstuhl auf dem Flur eines Pflegeheims (Symbolbild)
  • Eine Bewohnerin im Rollstuhl auf dem Flur eines Pflegeheims (Symbolbild)
  • Foto: picture alliance / epd-bild | Tim Wegner

Pflege in Not: Was gegen Überlastung und Frust getan werden soll

Patientinnen und Patienten, Pflegebedürftige und Angehörige bekommen den Stress und die Personalnot in der Pflege in Deutschland längst zu spüren. Die Suche nach einem Heimplatz oder einer ambulanten Pflege ist oft zermürbend. Patienten und Heimbewohner berichten über mangelnde Zuwendung. Und immer wieder kommen Pflege-Missstände in Klinken mit Personalnot ans Licht. Zum Tag der Pflegenden an diesem Sonntag sind Aktionen von Gewerkschaften und Pflegenden an vielen Orten Deutschlands geplant, aber auch Feiern von Arbeitgebern, um die Arbeit der Pflegekräfte zu würdigen. Die Situation der Pflege, die Perspektiven und die politischen Pläne im Überblick:

Wie schätzt der zuständige Minister die Lage ein?

Dramatisch. „Wir haben große Probleme in der Pflege zugelassen“, sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Dienstag auf dem Ärztetag in Mainz. Jede sechste Schicht sei mittlerweile unterbesetzt. Auch in diesem Jahr dürfte beim Internationalen Tag der Pflegenden, der jährlich am 12. Mai begangen wird, der Frust von Betroffenen eine Rolle spielen. Den räumt auch Lauterbach ein: „Die hohe Desillusion in der Pflege geht auch auf massive Arbeitsüberlastung der Pflegekräfte zurück.“

Sieht die Lage in den Altenheimen besser aus?

Nein. „In der Altenpflege sind die personellen Reserven schon lange ausgeschöpft“, sagt der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Oft könnten die Einrichtungen ihre Schichten gar nicht mehr mit Fachkräften besetzen.

Auch in den Altenheimen ist die Lage nicht besser. (Synbolbild) picture alliance / Fotostand | Fotostand / Gelhot
Auch in den Altenheimen ist die Lage nicht besser. (Synbolbild)
Auch in den Altenheimen ist die Lage nicht besser. (Synbolbild)

Laut einer Befragung des Evangelischen Verbands für Altenarbeit und Pflege vom Februar müssen vier von fünf Pflegeeinrichtungen ihr Angebot einschränken, weil Personal fehlt. Neun von zehn ambulanten Diensten lehnten 2023 Neukunden ab. Insgesamt kommen auf 100 gemeldete Arbeitsstellen für examinierte Pflegefachkräfte derzeit nur 44 Arbeitslose.

Gibt es Berufe mit größeren Engpässen?

Nein. „Die ausgebildeten Pflegekräfte stehen an erster Position unter allen Berufsgruppen mit einem Engpass“, so die Bundesagentur für Arbeit. Knapp 1,7 Millionen Pflegekräfte in der Kranken-, Alten- und Kinderkrankenpflege waren 2023 in regulären Jobs beschäftigt – 10.000 Beschäftigte mehr als im Vorjahr. 82 Prozent aller Pflegekräfte sind Frauen. Von diesen 1,39 Millionen Frauen arbeitet etwas mehr als jede zweite in Teilzeit.

Wie geht es weiter?

Die Situation dürfte sich zuspitzen. Mit den immer zahlreicheren älteren Menschen in Deutschland gibt es auch immer mehr Pflegebedürftige. Laut Prognosen aus der Wissenschaft erhöht sich die Zahl der Pflegebedürftigen binnen 15 Jahren von heute rund fünf auf sechs Millionen. Regional dürfte der Anstieg von Pflegebedürftigen sehr unterschiedlich ausfallen, besonders stark aufgrund der Demografie etwa in Bayern und Baden-Württemberg. Zwischen 280.000 und 690.000 Pflegekräfte werden laut Statistischem Bundesamt bis 2049 nach Vorausberechnung vom Februar bundesweit fehlen.

Was tut die Regierung?

Mehrere Dinge. So wirbt sie um ausländische Pflegekräfte. Tatsächlich geht das Beschäftigungswachstum in der Pflege seit 2022 ausschließlich auf Ausländerinnen und Ausländer zurück. Sie stellen inzwischen 16 Prozent der Pflegenden. Aber die Möglichkeiten sind begrenzt. Lauterbach erklärte: „Wenn wir die Nachricht übermitteln müssen, hier darf man weniger als das, was man kann, wird auf keinen Fall besser bezahlt, muss eine schwere Sprache vorher nachweisen und bekommt keinen Kita-Platz – so werden wir die Pflegekräfte aus dem Ausland nicht werben können.“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei einem Besuch einer Klinik (Archivbild) picture alliance/dpa/AFP Pool | John Macdougall
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei einem Besuch einer Klinik (Archivbild)
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei einem Besuch einer Klinik (Archivbild)

Welche Versuche zur Abhilfe gibt es noch?

Nach jahrelangen Vorbereitungen stimmte der Bundesrat im April einer Verordnung Lauterbachs zu, die sogar der Deutsche Pflegerat als „Meilenstein“ lobte. Verglichen werden soll Klinik für Klink, wie die Besetzung mit Pflegepersonal ist und wie sie sein soll. Auf ein Instrument zur Messung des Pflegepersonalbedarfs hatten sich Krankenhäuser und Arbeitnehmervertreter schon 2019 grundsätzlich geeinigt.

In der Altenpflege gibt es eine ähnliche Personalberechnung seit 2023. Das Personal muss allerdings erst mal gefunden werden. Deshalb soll der Beruf attraktiver werden. So sollen Pflegekräfte mit einem Kompetenzgesetz mehr Kompetenzen erhalten, gemäß ihren Qualifikationen. Die Bundesagentur für Arbeit fördert zudem die Weiterbildung von Pflegehelferinnen und -helfer zur Fachkraft – denn bei ihnen gibt es viel mehr Arbeitslose als gemeldete Stellen. 

Was belastet die Pflege in Deutschland noch?

Die steigenden Kosten – und die Frage, wer für sie aufkommt. Für die Altenpflege hatte die Koalition zum vergangenen Juli ein Beitragsplus für Kinderlose auf 4 Prozent und für Beitragszahler mit einem Kind auf 3,4 Prozent beschlossen. Die Betriebskrankenkassen schlugen am Montag mit Hochrechnungen Alarm, nach denen für dieses Jahr ein Defizit der Pflegeversicherung von einer Milliarde Euro und für 2025 von 4,4 Milliarden droht.

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Die Sozialvorständin der Diakonie Deutschland, Maria Loheide, mahnt: „Wenn das Geld der Pflegeversicherung nicht mehr ausreicht, ist die Versorgung der pflegebedürftigen Menschen gefährdet.“ Heute schon ignorierten Krankenkassen, aber auch Kommunen oft erhöhte Personalkosten durch Tarifsteigerungen, sagte Loheide. Lauterbach sieht bereits die reine Beitragsfinanzierung der Pflegeversicherung vor dem möglichen Ende. Langfristig komme man um Steuermittel hierfür nicht herum, sagte er vor zwei Wochen auf der Altenpflegemesse in Essen. Aktuell will die Bundesregierung im Gegensatz dazu bekanntlich lieber Geld sparen als zusätzlich ausgeben.

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