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  • Ein Forscher zeigt im Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, wie ein PCR-Test für die Analyse auf Mutationen des Coronavirus vorbereitet wird.
  • Foto: dpa

Forscher warnt : Darum kann die Inzidenz von 35 in Deutschland nicht erreicht werden

Berlin –

Ab einer Inzidenz von 35 soll es zu schrittweisen Lockerungen der aktuellen Corona-Beschränkungen kommen. So vereinbarten es Bund und Länder auf dem Corona-Gipfel vergangene Woche. Doch: Ist dieser Wert überhaupt realistisch? Der System-Immunologe Michael Meyer-Hermann meint: nein. 

Sollte sich das Vorkommen der Mutante B.1.1.7 ungünstiger entwickeln als erwartet, könne es sein, dass die 35 mit dem aktuellen Lockdown gar nicht zu erreichen sei, sagte Meyer-Hermann der Deutschen Presse-Agentur. „Das macht deutlich, dass jede Form von Öffnungen zum jetzigen Zeitpunkt ein hohes Risiko birgt, die gesetzten Ziele nicht erreichen zu können.“

Immunologe: „Sind aktuell mit mindestens zwei Pandemien konfrontiert“

Meyer-Hermann, Physiker und Mathematiker, ist Leiter der Abteilung System Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. „Wir sind aktuell mit mindestens zwei Pandemien konfrontiert“, erläuterte der Forscher. „Die alte haben wir mit den aktuellen Maßnahmen unter Kontrolle und bringen die Inzidenzen mit einer Reproduktionszahl von 0,85 runter.“ Eine Inzidenz von 35 könne so Anfang März erreicht werden – allerdings ohne die geplanten leichten Öffnungen und ohne ungünstiges Dazwischenfunken von Mutanten.

Die Mutante B.1.1.7 habe in konservativen Schätzungen aber eine um 35 Prozent höhere Übertragungswahrscheinlichkeit. „Sie befindet sich in Deutschland bereits wieder in einer Phase des exponentiellen Wachstums und die aktuellen Maßnahmen reichen nicht, um diese Entwicklung auszubremsen“, ergänzte er. „Je mehr man jetzt aufgrund der fallenden Inzidenzen lockert, desto früher wird die dritte Welle mit B.1.1.7 sich entwickeln.“

Mit besserer Nachverfolgung lasse sich die dritte Welle abfangen

B 1.1.7. expandiere mit niedrigen absoluten Fallzahlen exponentiell mit einer Reproduktionszahl über 1. „Grob geschätzt 1,2“, sagte der Forscher. „Das sieht man nur nicht, weil immer noch die meisten Fälle mit der alten Variante auftreten. Über kurz oder lang wird B.1.1.7 dominieren.“

Die Expansion dieser Variante lasse sich aber durch Beibehaltung der aktuellen Maßnahmen so lange verzögern, dass die Fallzahlen hinreichend sinken würden – wie im No-Covid-Konzept bereits beschrieben. Darin wird für Inzidenzen um die 10 plädiert. Mit der dann besseren Nachverfolgung lasse sich die dritte Welle noch abfangen, prognostizierte Meyer-Hermann.

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„Grundsätzlich haben die Gegenden, die an Hochinzidenz-Regionen angrenzen, mehr Schwierigkeiten, die Inzidenzen zu senken“, ergänzte der Forscher. „Dies gilt umso mehr, als dort auch eine höhere Gefahr existiert, die neuen Varianten einzuschleppen.“ Daher könne es in einigen Regionen länger dauern und in anderen schneller gehen. Wenn man den Ursprung aller Infektionen in einer Region kenne, dann könne man dort auch schon lokal öffnen.

Laschet: „Man kann nicht immer neue Grenzwerte erfinden“

Auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) äußerte sich kritisch, was die Festlegung auf den 35er-Wert – und Grenzwerte im Allgemeinen – angeht. 

Er warnte vor einem zu einseitigen Fokus auf dem Inzidenzwert und sagte:  „Man kann nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass Leben wieder stattfindet.“ Und weiter: „Wir können unser ganzes Leben nicht nur an Inzidenzwerten abmessen.“ Man müsse all die anderen Schäden etwa für die Gesellschaft und die Wirtschaft genauso im Blick haben wie die Inzidenzzahlen. (alp/dpa)

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