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  • Eine Demonstrantin steht mit einer Flagge Libanons am Jahrestag auf einem Dach in Beirut.
  • Foto: Imago / Zuma Wire

Explosion in Beirut: „Obwohl wir überlebten, sind wir innerlich tot“

Am 4. August 2020 kommt es in der libanesischen Hauptstadt Beirut zu einer schweren Explosion. Dabei werden ein Großteil des Hafens und umliegende Gebiete zerstört. Mehr als 200 Menschen verlieren an diesem Tag ihr Leben und rund 6000 werden verletzt. Was ist seit der Katastrophe passiert?

Ein Jahr nach der schrecklichen Explosion sitzen der Schmerz und die Trauer noch immer tief. „Es ist ein trauriger Tag für alle Libanesen – obwohl wir diese massive Explosion überlebten, sind wir innerlich tot“, erzählt Rita Hassan, deren Zuhause bei der Katastrophe zerstört wurde. 

Die Explosion hat weite Teile des Hafens und der anliegenden Wohngebiete zerstört. Die Lage im Libanon, der seine schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten durchlebt und mit der Corona-Pandemie ringt, wurde durch die Explosion weiter verschärft. „Heute ist der Libanon praktisch ein gescheiterter Staat, (…) der durch eben diese Katastrophe endgültig ausgelöst wurde“, schreibt die spanische Zeitung, „El Mundo“, am Donnerstag.

Beirut: Demonstrationen gegen die Regierung eskalieren

Am Jahrestag der Katastrophe zogen Tausende durch das Stadtzentrum und zum Hafen, darunter Angehörige sowie Ärzte, Krankenschwestern und Demonstranten mit Nationalflaggen. Am Hafen wurde ein großer Gottesdienst und eine Schweigeminute in Gedenken an die Opfer abgehalten. Sänger:innen performten und Luftballons stiegen in die Luft. Am Parlament kam es zu Zusammenstößen, die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein. Mindestens 21 Menschen wurden dem Roten Kreuz zufolge verletzt.

Libanesische Sicherheitsbeamten gehen am Jahrestag gegen Demonstranten mit Gewalt vor. Imago / Zuma Wire
Libanesische Sicherheitsbeamten gehen am Jahrestag gegen Demonstranten mit Gewalt vor.
Libanesische Sicherheitsbeamten gehen am Jahrestag gegen Demonstranten mit Gewalt vor.

Verantwortlichen für die Explosion noch unbekannt

Viele Hinterbliebene sind empört über die schleppende Aufarbeitung. „Wir wollen einfach Gerechtigkeit sehen“, rief die Schwester eines bei der Explosion gestorbenen Feuerwehrmanns. Auch Familien weiterer Feuerwehrleute, die ums Leben kamen, zogen zum Hafen. „Geiseln eines mörderischen Staates“ stand auf einem riesigen Banner.

Und tatsächlich liegt bis heute kein Abschlussbericht vor. Noch immer ist unbekannt, wer die Verantwortlichen sind und weshalb es zu dieser Explosion kam. Stattdessen werden „Gesetze gebeugt und der Justiz Befugnisse entzogen“, erklärte der Chef der Anwaltskammer von Beirut, Kalaf, in einem Interview der ARD.

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Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) legte unterdessen neue Beweise für den Vorwurf vor, dass die Regierung die Explosion hätte verhindern können. Trotz mehrfacher Warnungen vor der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat, die die Explosion im Hafen ausgelöst haben soll, habe die Regierung nicht gehandelt, schreibt HRW in einem 127 Seiten langen Bericht. Fast sechs Jahre habe das Material in einem schlecht belüfteten und unzureichend gesicherten Hangar gelegen – inmitten einer dicht besiedelten Gewerbe- und Wohngegend.

Außenminister: „Krise ist zum Großteil menschengemacht“

Die Vereinten Nationen hatten wiederholt von der libanesischen Regierung gefordert, die Ursache der Explosion finden. „Ich will ganz offen sein: Diese Krise ist zum Großteil menschengemacht. Die politischen Akteure Libanons sind ihrer Verantwortung und den berechtigten Erwartungen der libanesischen Bevölkerung nicht gerecht geworden“, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD).

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Ein Jahr später ist Beirut noch immer deutlich von dem Unglück gezeichnet und vielen Menschen fehlt es am Nötigsten. 70 Prozent der Haushalte hätten laut Unicef Unterstützung angefragt. 98 Prozent von ihnen bräuchten bis heute Hilfe, vor allem Geld für Lebensmittel. Der Weltbank zufolge verursachte die Explosion Schäden in Höhe von schätzungsweise bis zu 4,6 Milliarden Dollar (3,8 Mrd. Euro).

Zum Jahrestag haben viele Länder – unter anderem Frankreich – Hilfsgelder zur Verfügung gestellt. Aber auch Außenminister Maas sagte 40 Millionen Euro Hilfsgelder zu, um die Bildung einer funktionierenden Regierung zu unterstützen. (toen/dpa)

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