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Tabletten
  • Medikamente (Symbolbild)
  • Foto: Friso Gentsch/dpa

Die verdrängte Pandemie: Woran jedes Jahr 35.000 Europäer sterben

Grippe? Tuberkulose? Aids? Das sind furchtbare Krankheiten. Aber es gibt eine Infektion, die in Europa so fatale Auswirkungen hat, wie alle drei zusammen. Und die meisten Menschen stecken sich dort an, wo sie eigentlich gesund werden sollten.

„Antibiotikaresistenzen sind eine schleichende Pandemie“, sagt Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI). Jedes Jahr erkranken laut RKI etwa 50.000 Menschen in Deutschland an antibiotikaresistenten Erregern. Und die meisten erwischt es in der Klinik: „Davon sind circa zwei Drittel im Krankenhaus erworbene Erkrankungen“, sagte Tim Eckmanns, Leiter der Surveillance von Antibiotikaresistenz beim RKI. Jedes Jahr sterben ungefähr 2500 Menschen durch multiresistente Erreger – also solche, die gegen mehrere Antibiotika resistent sind.

Deutschland steht mit diesem Problem nicht alleine da: Im Europäischen Wirtschaftsraum sterben nach Schätzungen der EU-Gesundheitsbehörde ECDC jährlich mehr als 35.000 Menschen aufgrund von Antibiotikaresistenzen. Die gesundheitlichen Folgen sind vergleichbar mit denen von Grippe, Tuberkulose und Aids zusammen.

Immer mehr Tote durch Antibiotika-Resistenz

Alarmierend: Die Zahl der Toten ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Gerade in Krankenhäusern zirkulieren oft Bakterien, gegen die kaum ein Antibiotikum mehr wirkt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO sieht in wachsenden Resistenzen eine große Gefahr. Von Antibiotika-Resistenz sprechen Experten, wenn Patienten auf ein Antibiotikum nicht reagieren, das heißt, wenn die krankmachenden Bakterien durch das Antibiotikum nicht vernichtet werden.

Erschreckend ist auch, wie viele Menschen nicht einmal wissen, wogegen Antibiotika überhaupt wirken – und wogegen nicht. Nur die Hälfte der Europäer weiß einer Umfrage zufolge, dass Antibiotika keine Viren töten – sondern nur gegen bakterielle Infektionen wirken. Laut einer Eurobarometer-Befragung glauben 39 Prozent, dass die Medikamente auch gegen Viren helfen und 11 Prozent wissen nicht, wie sie überhaupt wirken.

In Deutschland schlucken nur noch 15 Prozent der Menschen Antibiotika

Antibiotika werden allerdings immer seltener geschluckt: 2021 nutzten nur noch 23 Prozent der Europäer Antibiotika – der niedrigste Wert seit 2009. Deutschland hat mit 15 Prozent eine besonders niedrigen Rate.

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Generell steht Deutschland zurzeit gut da. Dafür sei aber eine „Daueranstrengung“ nötig. Neben Hygienemaßnahmen und dem umsichtigen Einsatz von Antibiotika brauche es auch neue Medikamente. Das „Problem Antibiotikaresistenz wird man nicht irgendwann los“, so Experte Eckmanns. „Das ist nicht eine Pandemie, die irgendwann enden wird.“

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