Im Schatten von Corona: Die andere Pandemie, über die kaum jemand spricht
Die ganze Welt redet derzeit über Corona – weil die ganze Welt davon betroffen ist. Doch nicht nur das SARS-CoV-2-Virus sorgt gerade für eine Pandemie. Im Schatten von Corona hat sich eine weitere Krankheit in vielen Ländern ausgebreitet, und „ein Ende ist nicht in Sicht“, prophezeien Experten.
Die ganze Welt redet derzeit über Corona – weil die ganze Welt davon betroffen ist. Doch nicht nur das SARS-CoV-2-Virus sorgt gerade für eine Pandemie. Im Schatten von Corona hat sich eine weitere Krankheit in vielen Ländern ausgebreitet, und „ein Ende ist nicht in Sicht“, prophezeien Experten.
H5N1 – das ist der offizielle Name eines Virus, das bei Verantwortlichen die Sorgenfalten wachsen lässt. Es frisst sich in rasender Geschwindigkeit durch den europäischen Kontinent und auch andere Länder – und dass es bald ausgerottet ist, scheint unrealistisch. Aber was verbirgt sich hinter der Abkürzung?
Das steckt hinter H5N1
Bei der Buchstaben-Zahlen-Kombination handelt es sich um die wissenschaftliche Bezeichnung für das Vogelgrippe-Virus. „Wir erleben in Deutschland und Europa derzeit die stärkste Geflügelpest-Epidemie überhaupt“, teilte das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der zu Greifswald gehörenden Insel Riems jüngst mit. Täglich kämen neue Fälle hinzu – und „ein Ende ist nicht in Sicht“, so die Experten für Tiergesundheit.
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Dabei ist schon jetzt die halbe Welt betroffen: Es wurden aus zahlreichen Ländern Fälle gemeldet, darunter neben Deutschland auch aus Finnland, Irland, Portugal, Großbritannien und selbst abgelegenen Gebiete wie den Färoer Inseln. Auch in Russland, Kanada, Indien und Ostasien wurden Infektionen registriert.
Mit am schlimmsten wütet die Vogelgrippe derzeit aber in Israel. Umweltministerin Tamar Sandberg sprach vergangene Woche von einem „schweren und außergewöhnlichen Ausbruch“ der Seuche in ihrem Land. Betroffen sind Wildvögel, aber auch Hühner und Tauben. Hunderttausende von Legehennen mussten bereits getötet werden, unzählige Eier vernichtet. Seit Neustem grassiert das Virus besonders heftig unter Kranichen.
Vogelgrippe sorgt für schlimme Szenen in Israel
Die „taz“ berichtet von schlimmen Szenen an den Hula-Seen im Norden des Landes. Kraniche, die dort wie üblich auf dem Weg in ihr Winterquartier in Afrika Rast machen, verendeten zu Dutzenden. Normalerweise zögen die Tiere an den Seen „majestätisch ihre Bahnen. In diesem Jahr aber liegen viele von ihnen bewegungslos im Wasser, einer taumelt noch, dann fällt auch er und bleibt liegen – Bilder wie diese sieht man seit einer guten Woche im israelischen Fernsehen“, so die „taz“. Insgesamt sind in Israel bereits mehr als 5500 Kraniche an der Vogelgrippe gestorben.

„Wir gehen davon aus, dass es sich um eine besonders aggressive Variante der Vogelgrippe handelt, die zu massiver Sterblichkeit bei Vögeln führt“, hieß es in der Mitteilung des israelischen Umweltministeriums. Tatsächlich ist H5N1 ein Subtyp des Vogelgrippe-Virus und für die meisten der aktuellen Ansteckungen bei Vögeln verantwortlich – nicht nur in Israel. Aber auch H5N8, ein Verwandter von H5N1, komme in geringem Ausmaß vor, teilte das deutsche FLI mit.
H5N1 kann auch für Menschen gefährlich sein
H5N1 ist auch auf den Menschen übertragbar und gilt auch für uns als potenziell gefährlich: Eine Infektion kann in seltenen Einzelfällen tödlich enden.
Großbritannien meldete vergangene Woche zum ersten Mal überhaupt in dem Land eine Übertragung des H5N1-Subtyps auf den Menschen. Ein Mann aus Buckfastleigh im Südwesten Englands hatte sich bei seinen Enten mit der Vogelgrippe angesteckt. Nach eigenen Angaben hatte er selbst weder Symptome noch Schmerzen: „Ich fühle mich so gesund wie immer“, sagte er zur BBC. Der Mann wurde getestet, nachdem bei einigen seiner Tiere das Virus festgestellt worden war.

Auch für die andere Variante H5N8 wurden bisher nur wenige Übertragungen auf den Menschen erfasst. Mensch-zu-Mensch-Übertragungen sind für beide Subtypen bisher nicht nachgewiesen. Aber Experten sind in Sorge, dass das Virus aufgrund der rasenden Zirkulation schon bald derart mutieren könnte, dass eine weitere Zoonose-Pandemie entsteht.
Zoonosen sind Krankheiten, die zwischen Tier und Mensch weitergegeben werden – wie etwa auch SARS-CoV-2, das bisherigen Erkenntnissen nach von Fledermäusen auf den Mensch übergesprungen ist. „Bei diesem Infektionsniveau in der Wildnis weiß ich nicht, wohin das führt“, sagte Yoav Motro vom israelischen Landwirtschaftsministerium zum Online-Magazin „Daily Beast.“ „Ich mache mir Sorgen.“
So ist die Vogelgrippe-Lage in Deutschland
Und wie ist die Situation hierzulande? Auch bei uns wütet die Seuche heftig. „Insgesamt mussten in den vergangenen Monaten schon rund 400.000 Tiere in Deutschland getötet werden“, sagte der Präsident des Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG), Friedrich-Otto Ripke, am Wochenende den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Das hat bereits jetzt ganz konkrete Auswirkungen: Zwar werde man „die Versorgung mit Fleisch und Eiern (…) momentan noch sicherstellen können“, sagte Ripke. „Aber es kann sein, dass Freilandeier knapp werden.“ Im Moment darf Geflügel in Regionen, die vom Virus bedroht sind, wegen strenger Eindämmungsverordnungen nur in Ställen gehalten werden. Dauert diese verordnete Stallpflicht länger als 16 Wochen, dürfen ihre gelegten Eier nur noch als Eier aus Bodenhaltung verkauft werden.
Wo genau H5N1 seinen Ursprung nach, ist unklar. Aber: Vogelgrippe-Wellen gibt es regelmäßig – wenn auch nicht so heftig wie gerade. ZDG-Präsident Ripke forderte daher erneut die schnelle Entwicklung eines Impfstoffs. Eine Impfung sei die erfolgversprechendste Methode im Kampf gegen das Virus. „Die Bundesregierung muss dringend Forschungsmittel zur Verfügung stellen, damit schnell ein Vakzin entwickelt werden kann.“