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Vielerorts in Tunesien sind Krankenhaus heillos überfüllt.
  • Vielerorts in Tunesien sind Krankenhaus heillos überfüllt.
  • Foto: Imago / Zuma Wire

Corona-Lage in Tunesien „katastrophal“ – Deutschland schickt Hilfe

Während bei uns in Europa vielerorts die Pandemie merklich abgeflacht ist, verzeichnen andere Länder jeden Tag neue, traurige Corona-Rekorde. Vor allem in Tunesien ist die Lage dramatisch – so sehr, dass Deutschland bereits Hilfe geschickt hat.

Die Corona-Kurven kennen in Tunesien derzeit nur eine Richtung: steil bergauf. Das Land im Norden Afrikas vermeldet so hohe Infektions- und Todesraten wie noch nie. Mehr als 9800 neue Ansteckungen binnen 24 Stunden wurden allein am Mittwoch registriert. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag gestern bei über 379 – vor einem Monat betrug der Wert noch 95.

Auch die Todeszahlen steigen, gestern wurden 134 Covid-Tote registriert. Insgesamt starben schon mehr als 15.000 Menschen – bei nur gut elf Millionen Einwohner:innen. „Die Situation ist besorgniserregend, Tunesien ist das Land mit der höchsten Sterblichkeitsrate auf dem afrikanischen Kontinent“, sagte jüngst auch der lokale WHO-Vertreter Yves Souteyrand.

Tunesien in einer „katastrophalen Lage“

Die Bilder gleichen denen, die man aus anderen Ländern mit explodierenden Fallzahlen gesehen hat: sich stapelnde Särge, Ärzt:innen und Pfleger:innen vor dem Zusammenbruch. Es fehle an Personal, sodass Tote manchmal 24 Stunden in ihren Betten blieben, bis sie jemand in die Leichenhalle bringen könne, erzählten Krankenpfleger in Kairouan jüngst der Nachrichtenagentur AFP.

Bestatter:innen arbeiten derzeit in Tunesien im Akkord. Imago / Zuma Wire
Bestatter:innen arbeiten derzeit in Tunesien im Akkord.
Bestatter:innen arbeiten derzeit in Tunesien im Akkord.

„Wir sind in einer katastrophalen Lage. Das Gesundheitssystem ist zusammengebrochen“, sagte auch Nisaf Ben Alaya, Sprecherin des Gesundheitsministeriums. Gleichzeitig fehlt medizinisches Equipment, der Sauerstoff wird knapp. Deutschland hat bereits 25 Beatmungsgeräte nach Tunesien geschickt, auch Italien und Frankreich halfen.

Dabei ist die Situation – anders als etwa in Großbritannien – nicht hauptsächlich auf das Aufkommen der Delta-Variante zurückzuführen. Sie ist in Tunesien nicht die dominierende Mutation, auch wenn sie sich dort schon ausbreitet. Problematisch ist vielmehr die extrem niedrige Impfquote. Nur rund zwölf Prozent der Tunesier:innen hat bislang einen ersten Piks bekommen, vollständig immunisiert sind nur fünf Prozent – viel zu wenig, um der Pandemie Herr zu werden. Vor allem, da Delta bald für noch mehr Infektionen sorgen dürfte.

Auch die Bevölkerung in Tunesien trägt eine Mitschuld

Ein Grund für die zugespitzte Lage ist aber auch das Verhalten der Bevölkerung. Im ganzen Land gilt schon seit Monaten ab 20 Uhr eine Ausgangssperre – lokalen Medien zufolge wird die aber vielerorts, auch in Hotspots, weitgehend ignoriert. Oft, weil man keine Lust darauf hat, manchmal aber auch, weil es nicht anders geht: Viele Tunesier:innen arbeiten als Tagelöhner und lebten schon vor Corona von der Hand in den Mund.

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Auch finden immer noch große Familienfeiern statt – der Sommer ist auch in Tunesien die typische Zeit für Hochzeiten. Und nicht zuletzt sind viele Tunesier:innen derzeit auf Heimaturlaub, was oft ebenfalls in größeren Zusammenkünften resultiert. Das Militär soll nun dabei helfen, die Einhaltung der Corona-Regeln besser zu überwachen. Und Ministeriumssprecherin Ben Alaya appellierte an ihre Landsleute, Zuhause zu bleiben: „Das Boot sinkt!“

Regierung schreckt vor landesweitem Corona-Lockdown zurück

Vor einem landesweiten, strengen Lockdown schreckt die Regierung bisher zurück. Er würde der taumelnden Wirtschaft wohl den Rest geben. Vor allem dem Tourismus: Zehntausende Saisonarbeitskräften sind auf geöffnete Hotels und Restaurants angewiesen. Ob als Zimmermädchen, Poolboy, Busfahrer oder Kellnerin – ein Viertel der Bevölkerung ist direkt oder indirekt vom Tourismus abhängig.

Die desolate Lage sorgt landesweit für viel Frust und Angst. Und sie könnte noch einen weiteren Effekt haben: Schon im vergangenen Jahr stammten die meisten Menschen, die übers Mittelmeer nach Italien kamen, aus Tunesien. Und damals war die Situation im Land noch nicht so dramatisch.

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